Vierfacher Nachwuchs: Warum klappt's bei Störchen in Neustadt/WN so gut?

Weiden in der Oberpfalz
02.06.2023 - 16:58 Uhr
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Der Storch als Fruchtbarkeitssymbol – in der Kreisstadt gilt das auch in eigener Sache. Im Horst ist heuer kein Platz mehr frei. Wie ist es andernorts um den Storchennachwuchs bestellt?

Das Storchenpaar auf dem Dach des Landratsamtes in Neustadt muss in diesem Jahr die Schnäbel von vier hungrigen Jungvögeln stopfen. Und das scheint auch zu gelingen. Storchenbeauftragter Gerold Haas hat täglich ein Auge auf Familie Adebar und bestätigt auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien: "Die Storchenkinder sind alle gut genährt."

Ungewöhnlich sei, dass Ende Februar zuerst Störchin Auguste aus südlichen Gefilden in ihr Oberpfälzer Sommerdomizil zurückgekehrt sei. Normalerweise würden zuerst die männlichen Vögel landen und den Horst inspizieren. Auguste habe zwar nicht lange auf ihren Partner aus dem Vorjahr, Storch Ferdinand (zu erkennen an der dunklen Beringung), warten müssen. Dieser sei kurz darauf aber, wie Haas beobachtet haben will, "nach Weiden umgezogen". Anfang März tauchte bereits ein Nachfolger in Neustadt auf, ein neuer, unberingter männlicher Storch, also quasi "Ferdinand IV". Storchenliebe scheint also vergänglich zu sein. Ebenfalls ungewöhnlich, denn Störche gelten als treu, meint Haas. Letztendlich dürfe aber derjenige bleiben, der den besten und stärksten Eindruck hinterlasse – "genau wie im richtigen Leben", sagt der 78-Jährige.

30 Mäuse und 1000 Regenwürmer

32 Tage nach Brutbeginn, am 28. März, entdeckt Gerold Haas zunächst zwei Jungstörche und eine Woche später ein drittes Storchenjunges im Horst in Neustadt. Ein viertes Storchenkind sichtet der Experte am 14. Mai. "Das kalte und regnerische Wetter in diesem Frühling haben die Störche gut überstanden, da die Altstörche die Küken gut geschützt haben", sagt Haas. Auch die Attacke eines fremden Storchs, der das Nest auf dem Landratsamt überflogen habe, sei ohne Folgen für die kleinen Störche geblieben. "Ob der abtrünnige Altstorch die Eier, die Auguste gelegt hat, befruchtet hat, kann man nicht sagen", bedauert der Storchenbeobachter. Oder war es doch "der Neue"? Reine Spekulation. "Dem Neuen kann's wurscht sein", witzelt Haas. Und dem Beauftragten auch. Er freue sich einfach, dass die Tiere heuer so gut gedeihen.

Damit sich die vier Jungstörche weiterhin prächtig entwickeln können, müssen die Storcheneltern täglich mehrere Kilogramm Futter heranschaffen. Ein ausgewachsener Storch benötige etwa 500 bis 700 Gramm Nahrung pro Tag, ein Jungvogel brauche circa 1200 Gramm. Dies entspreche ungefähr 30 Mäusen oder bis zu 1000 Regenwürmern. Auf dem Speiseplan der Neustädter Störche stünden hauptsächlich Mäuse, die sie sich von den abgemähten Wiesen in der Umgebung holen, weiß Haas. Als Fluggebiete gelten die Bereiche um Wöllershof und Störnstein oder auch in Richtung Süßenloher Weiher.

Erste Flugstunden im Juli

Bis die Jungvögel groß genug sind, um ihre ersten Flugübungen zu absolvieren, dauert es noch ein wenig. "In der Regel beginnen die Flugstunden im Juli", weiß der Storchenbetreuer aus Neustadt. Die Überlebenschancen des Quartetts schätzt Haas als "sehr gut" ein. Auch wenn der Horst mit den Vieren schon jetzt voll sei, gäbe es keinen Platzmangel. Die Elternvögel würden den Jungen das Nest überlassen und sich selbst auf den umliegenden Dächern aufhalten, von wo aus sie ihren Nachwuchs im Blick hätten.

Dass Meister Adebar in Neustadt in diesem Jahr gleich vierfachen Nachwuchs mit hervorragenden Überlebenschancen hat, ist keine Selbstverständlichkeit. "Wir hatten schon einmal vier Jungstörche. Das war im Jahr 2015", erinnert sich Haas. Warum es bei den Neustädter Störchen besonders gut klappt? Das könne am Partnerwechsel liegen, meint der Fachmann. In der Regel würden Störche zwischen einem und fünf Eier legen. Was dann aus der Brut werde, komme ganz auf das Paar an.

Vier Jungstörche auch in Pressath

Auch auf dem Turm der Stadtpfarrkirche St. Georg in Pressath haben vier Jungstörche ihre Kinderstube. Aus den fünf Eiern seien vor etwa drei Wochen fünf Küken geschlüpft, von denen eines verstarb, weiß Eckard Bodner. Er kümmert sich seit vielen Jahren um die beeindruckenden Vögel und vermutet, dass es sich bei dem diesjährigen Brutpaar um das selbe wie im vergangenen Jahr handelt. Dass gleich vier Junge im Nest sitzen, wertet Bodner als Zeichen für ein gutes Storchenjahr unter besten Bedingungen. Nach den ergiebigen Regenfällen im Frühjahr sei für die Störche nun Nahrung im Überfluss vorhanden.

Im Nest der Storchenfamilie auf dem Alten Schulhaus in Weiden sind dagegen nur noch zwei statt drei Jungtiere zu sehen. Storchenbetreuerin Helga Bradatsch hat die Schneefangleisten rund ums Dach des Gebäudes bereits abgesucht und keinen Kadaver entdeckt. Was passiert ist, ist unklar. Bradatsch hatte dem jüngsten Tier keine guten Chancen eingeräumt, da die Geschwister bei mehr als zwei Jungtieren zu stark ums Futter konkurrieren. In den vergangenen 20 Jahren hätten es in Weiden nie mehr als drei Storchenkinder geschafft, "große, lebenstüchtige Störche zu werden", berichtet die Expertin. Der Grund laut Bradatsch: Die Weidener Störche hätten keinen günstigen Platz mitten in der Altstadt und einen weiteren Anflug zu Nahrungsgründen wie größere freie Grünflächen.

Ebenfalls zweifachen Nachwuchs hat das Storchenpaar auf dem Horst des Klosters Speinshart. Die Vögel seien noch recht klein und könnten die Köpfchen noch nicht über den Nest-Rand hinausstrecken, weiß Pater Benedikt Schuster. Darüber, ob beide Jungstörche auch groß werden und durchkommen, möchte er nicht spekulieren. "Solange die nicht fliegen, glaube ich gar nichts", sagt er. Der Geistliche sieht immer wieder mal nach den Tieren und freut sich, dass das im vergangenen Jahr neu installierte Metallgeflecht als Unterbau für den späteren Horst von den Störchen so gut angenommen werde.

Weiden in der Oberpfalz01.06.2023
Hintergrund:

Hier gibt es auch Störche:

  • Rothenstadt bei Weiden
  • Eslarn
  • Pleystein
  • Mantel
  • Luhe
  • Albersrieth
  • Vohenstrauß
  • Floß
  • (Aufzählung ohne Anspruch auf Vollständigkeit)
 
 

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