Es klingt dramatisch: Das, was auf keinen Fall eintreten sollte, ist passiert. Die Kliniken Nordoberpfalz AG (KNO) werden mit den 75 Millionen Euro, die sie von ihren kommunalen Trägern seit 2019 bekommen haben, um Verluste auszugleichen, nicht auskommen. Sowohl der jetzige als auch der vorherige Vorstand, die politischen Spitzen der beiden Landkreise Neustadt/WN und Tirschenreuth sowie der Stadt Weiden hatten gebetsmühlenartig wiederholt, dass Mitte der 2020er Jahre die Häuser finanziell stabil sein sollen.
Davon ist zurzeit keine Rede mehr. Die letzten 15 Millionen aus dem Trägerdarlehen werden wohl dieses Jahr draufgehen. Im Moment sieht alles nach einem Jahresdefizit im niedrigen zweistelligen Millionenbereich aus, obwohl ein einstelliger im aktuellen Wirtschaftsplan angepeilt ist.
Und dann? Hoffen Aufsichtsratsvorsitzender Roland Grillmeier und Vorstandschef Michael Hoffmann, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Gesundheitsreform aus dem Hut zaubert, die auch kleineren Krankenhäusern Luft zum Atmen lässt. Doch bis die Reform steht, abgelehnt und nachgebessert wird, um anschließend durch den Bundesrat gedreht zu werden, dürften Jahre vergehen. "Das Problem ist, dass wir unsere Häuser in der Zwischenzeit dieser Reform anpassen müssen, wir aber nicht wissen, wie das aussehen soll", sagt Grillmeier. Folglich fahren die KNO auf Sicht und machen nach bestem Wissen und Gewissen weiter wie sie es für richtig halten.
Grillmeier ist zugleich Landrat von Tirschenreuth. Er wünscht sich übergangsweise einen Härtefallfonds als Stütze, bevor er seinen Kreistag wegen der Kliniken AG um mehr Kreisumlage anbetteln muss. Auf einer Landrätetagung habe er vor kurzem erlebt, dass es bayernweit derzeit ganz vielen Kollegen so gehe.
Bettensperre treibt Defizit
Für den neuerlichen Schlag ins Kontor, der das Defizit anschwellen lässt, ist vor allem eine Coronawelle Anfang des Jahres verantwortlich. Sie schwemmte viele Covid-Patienten in die Häuser Weiden und Tirschenreuth. Die mussten isoliert werden und banden Personal. Trotzdem steckten sich jede Menge Pflegekräfte an, die dann flach lagen. Ärztinnen, Pfleger und Schwestern, die davon verschont blieben, waren kurz darauf ausgebrannt und wurden ebenfalls krank. Somit musste die KNO in der Spitze bis zu 120 Betten sperren, weil dafür einfach kein Personal mehr zur Verfügung stand.
Doch leere Betten heißt keine Einnahmen. Corona spielt derzeit keine Rolle mehr, der Personalmangel in der KNO aber weiterhin sehr wohl. Daher sind noch immer rund 60 der 800 Betten vorübergehend stillgelegt. Dazu kommen stattliche Tariferhöhungen für die Beschäftigten und hohe Energiekosten.
Wenn Grillmeier und Hoffmann all dies erklären, werden sie weder rot noch leichenblass. Ihre Botschaft: Wir können doch nichts dafür. Stattdessen üben sie sich in Galgenhumor nach dem Motto: Der Bund kann uns nicht verhungern lassen, denn dann müsste er in halb Deutschland Häuser dichtmachen. Hoffmann hat dazu Pressemeldungen der vergangenen Wochen auf einer Präsentationsfolie zusammengefasst: Klinikum Ingolstadt 20 Millionen Euro Defizit, Kliniken der Stadt Köln 131 Millionen, Klinikum Wilhelmshaven 20 Millionen usw. Hoffmanns Paradebeispiel ist das Klinikum St. Georg in Leipzig: "Da fehlen 100 Millionen, und die haben nicht mal ganz so viele Betten wie wir." Zudem hätten die Nordoberpfälzer mit angedockten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) an ihren Häusern schon Hausaufgaben gemacht, die anderen noch bevorstünden.
Gute Chancen für Schüler
Auch wenn er es nicht sagt: Beschäftigte können aus all dem etwas Positives herauslesen, lässt der Vorstandschef durchblicken: "Dinge, die in den 1990er Jahren ganz groß waren wie Outsourcing und Privatisierung, sind zurzeit kein Thema. Damals hatte man genügend Leute und wollte preiswerter werden. Unser Hauptthema ist: Wie kriegen wir Ärzte und Pflegekräfte an Bord?" Hoffmann hofft in diesem Zusammenhang auf den aktuellen Krankenpflegejahrgang in der Akademie "NEW Life" in Neustadt. Alle 30 Schüler hätten gute Chancen, im Herbst übernommen zu werden. Hintergrund sei eine demografische Schieflage, die auch andere treffe. "Ich habe gerade gelesen, dass in Wien 800 Betten nicht belegt werden können, weil es auch dort keine Leute gibt." Auf der Chefärzteseite droht in Weiden der nicht mehr viele Jahre lang dauernde Renteneintritt von Koryphäen wie Dr. Karlheinz Dietl und Dr. Eberhard Müller Lücken zu reißen.
Hohes Defizit, Pflegemangel - trotz gegenteiliger Beteuerungen der Träger ploppt in solchen Fällen schnell das Gerücht der Privatisierung auf. Auch da hat die Unsicherheit rund um eine Gesundheitsreform für die kommunalen Träger fast ihr Gutes. Hoffmann: "Private kaufen derzeit keine Häuser, weil man keine Chance am Horizont sieht, Rendite zu erwarten."
Was das hauseigene Labor an den Standorten Weiden, Tirschenreuth und Kemnath betrifft, ist die Lage nicht ganz so klar. Outsorcing habe hier "nicht höchste Priorität, aber wir warten darauf, dass wir einen Anbieter finden, der das eventuell für uns lösen kann", gibt der Klinikenchef zu. Das Thema Labor habe dadurch Fahrt aufgenommen, dass nach dem Wechsel von Dr. Richard Maurer nach Amberg die Chefarztstelle verwaist und Ersatz kaum zu bekommen ist.
Derzeit übernehmen diesen Job zwei Synlab-Ärzte, die bereits als Urlaubsvertretung für Maurer eingesprungen waren. Ein Fingerzeig für eine mögliche Übernahme durch den Labordienstleister, der in Weiden keine 500 Meter entfernt ist? Grillmeier wiegelt ab: "Auch hier gilt: Solange wir nicht wissen, was mit der Gesundheitsreform kommt, machen wir an allen drei Standorten so weiter."
Die Finanzlage bayerischer Krankenhäuser
- 2021 schrieb jedes zweite Krankenhaus in Bayern rote Zahlen, abgefedert durch Corona-Ausgleichszahlungen
- 2022 negative Ergebnisse bei 71 Prozent der Kliniken
- 2023 rechnen 89 Prozent mit Verlusten in Millionenhöhe
- Quelle: Bayerische Krankenhausgesellschaft
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