Frust statt Anerkennung: Wie der Pflegebonus in Weiden sein Ziel verfehlt

Weiden in der Oberpfalz
27.12.2022 - 17:50 Uhr
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Der Pflegebonus soll ein Dankeschön für die Pfleger auf den Coronastationen in Kliniken und Pflegeheimen sein. Doch viele fühlen sich von diesem Dank ausgeschlossen. Auch in Weiden.

Er war als Wertschätzung für Pflegekräfte und ihre Leistung während der Coronapandemie gedacht. Doch der sogenannte Pflegebonus der Bundesregierung entpuppt sich zunehmend als Grund für Frust, Ärger und Missgunst in Krankenhausbelegschaften und in Heimen. Auch im Weidener Klinikum ist der Pflegebonus kurz vor Ablauf der Frist zum Jahresende heißes Gesprächsthema auf Gängen oder der Kantine, bestätigt Erich Lang.

Der Physiotherapeut hat sich genau mit den Gesetz aus dem Bundesgesundheitsministerium befasst. Obwohl oder gerade weil es Lang nicht betrifft - wieder einmal. Lang und seine Kollegen der Physiotherapie sind von der Bonuszahlung ausgenommen, und eben das sorgt für Ärger. Bei Lang, seinen Kollegen aber auch bei vielen anderen Abteilungen und Berufsgruppen. Sehr viele, die während der Pandemie sehr viel in Krankenhäusern und Heimen geleistet haben, werden nicht berücksichtigt.

Den Physios aus Weiden passiert das nicht zum ersten Mal. Bei diversen Anerkennungs- und Bonusprogrammen sind sie fast immer leer ausgegangen. Inzwischen summiere sich der durch verpasste Boni entgangene Betrag auf rund 5000 Euro, hat Langs Kollege Gerald Tretter ausgerechnet. Steuerfrei. Beinahe noch mehr wiege aber die Symbolik, die mitschwingt, die offensichtlich fehlende Wertschätzung und auch das fehlende Wissen darüber, was in einem Krankenhaus funktionieren muss, damit gut Versorgung gelingt. "Da gehören auch wir Physiotherapeuten dazu, aber auch Putzkräfte oder die Helfer", sagt Tretter.

Wäre das Wissen im Ministerium vorhanden, würden nicht erneut nur Pflegekräfte berücksichtigt. Und auch unter den Pflegerinnen und Pflegern werden kaum nachvollziehbare Unterschiede gemacht. "Dabei sind wir oft näher an den Patienten", sagt Tretter und meint das durchaus wörtlich. Gerade bei schweren Coronaverläufen sei frühe Physiotherapie entscheidend, wenn die Krankheit überwunden, der Patient völlig gesund werden soll, beschreibt Wolfgang Baierl, der stellvertretende Leiter der Abteilung.

Selbst wenn Patienten auf der Intensivstation noch voll invasiv beatmet werden, arbeiten Physiotherapeuten an ihrem Krankenbett, um Bewegungsfähigkeit zu erhalten oder den Abtransport von Sekret aus der Lunge zu unterstützen. Dabei sei engster Körperkontakt nötig, die Physiotherapeuten berichten von vielen Stunden in voller Schutzausrüstung auf den Stationen. "Am Abend ist man nach so einem Tag völlig fertig", berichtet Baierl.

Dazu kommt das Infektionsrisiko, das trotz voller Schutzausrüstung nie ganz ausgeschlossen werden kann. Erich Lang erzählt, dass er selbst über acht Tage als Coronapatient im Krankenhaus behandelt werden musste. "Angesteckt habe ich mich bei der Arbeit bei einem Patienten." Er und seine Kollegen finden, dass dies ziemlich gut zeigt, dass nicht nur die vom Gesetz bevorzugten "Pflegekräfte" in den vergangenen beiden Jahren ein hohes Risiko eingegangen sind.

Dabei betonen, die Physiotherapeuten, dass sie die Arbeit der Pflegekräften nicht klein reden wollen und allen den Bonus gönnen. Doch selbst hier mache das Gesetz Unterschiede. Für den Bonus kommt nur infrage, wer eine dreijährige Ausbildung absolviert hat. Mit der Belastung für den einzelnen Beschäftigten habe die Dauer der Ausbildung aber gar nichts zu tun. "Der Pfleger links am Bett bekommt den Bonus, der Helfer rechts bekommt ihn nicht. Dabei haben beide dieselbe Belastung und das gleiche Risiko", erklärt Wolfgang Baierl.

Nicht nur er kann die Logik dahinter nicht nachvollziehen. Auch wegen dieser Ungleichbehandlung erhalten die Physiotherapeuten nämlich Unterstützung von der Leitung der Kliniken Nordoberpfalz AG. Das Haus habe kein Interesse daran, dass auf diesem Weg der Arbeitsfrieden gestört wird, erklärt Sprecher Michael Reindl. Hinzu kommt, dass die AG plötzlich selbst in der Kritik steht. Ausbezahlt wird das Geld vom Arbeitgeber. Allerdings sind die Vorgaben geregelt. "Wir haben überhaupt keinen Spielraum", sagt Reindl. Und doch gab es zuletzt immer wieder Beschwerden in Richtung Kliniken-Leitung.

Verständnis für den Ärger zeigt Uli Grötsch. Doch der SPD-Bundestagsabgeordnete wirbt auch um Verständnis für seinen Partei-Kollegen und Gesundheitsminister Karl Lauterbach: "Es war und ist bisher bei allen Corona- oder Pflege-Boni ein Problem, dass irgendwo die Grenze gezogen werden muss, wer den Bonus erhält und wer nicht." Das Problem habe es bereits bei Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn von der CDU gegeben. Die Alternative wäre, dass mehr Menschen in der Pflege profitieren, dann aber die Beträge so niedrig würden, dass keiner mehr etwas von dem Bonus haben würde.

Naturgemäß kritischer sieht Oppositionspolitiker Albert Rupprecht (CSU) die Lage: "Ungerecht. Das ist das Wort, das mir zur Auszahlung des aktuellen Pflegebonus einfällt." Es werde mit zweierlei Maß gemessen, auf diese Ungerechtigkeit sei er in den letzten Wochen mehrfach von Betroffenen angesprochen worden. Bei einer Nachfrage im Ministerium ist auch Rupprecht auf die begrenzten Mittel für den Bonus hingewiesen worden. Zufrieden stellt ihn das nicht: "So führt es nur zu Missstimmungen in der Belegschaft. Noch dazu in einer Zeit, in der die Pflege in den Kliniken gerade wieder am Anschlag arbeitet."

Wie viel Mitarbeiter den Bonus tatsächlich erhalten, konnte Klinikensprecher Reindl auf Nachfrage nicht direkt beantworten. Es sei auch nicht möglich eine Zahl anzugeben, wie viele den Bonus aus Sicht der AG bekommen sollten. "Aber es ist schon ziemlich klar, dass viel mehr den Bonus verdient hätten, als ihn nun tatsächlich bekommen." Seit bald drei Jahren würden alle Mitarbeiter im Haus wesentlich mehr Belastungen aushalten und bewältigen müssen. Dies lasse sich noch nicht einmal auf jene eingrenzen, die tatsächlich mit der Behandlung von Covid-Fällen beauftragt sind.

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Weiden in der Oberpfalz27.12.2022
Hintergrund:

Der Pflegebonus

  • Pflegebonus geht an Pflegekräfte in Krankenhäusern, die 2021 besonders von der Pandemie betroffen waren. Laut Bundesgesundheitsministerium sind das 837 Häuser in Deutschland. Hinzu kommen besonders betroffene Alten- und Pflegeeinrichtungen
  • Innerhalb der Häuser profitieren "Pflegefachkräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen und Intensivpflegefachkräfte". Diese müssen im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in dem Krankenhaus beschäftigt gewesen sein.
  • Bei Pflegeinrichtungen ist das Kriterium weniger streng: Hier profitieren alle Beschäftigten, "die zwischen November 2020 und Juni 2022 mindestens drei Monate in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung tätig waren".
  • Der Betrag wird je nach Tätigkeit abgestuft. Intensivpflegekräfte sollen bis zu 2500 Euro erhalten.
  • Zum 30. September haben die Pflegekassen den Einrichtungen das Geld zur Verfügung gestellt. Spätestens zum 31. Dezember muss es an die Empfänger ausbezahlt werden.
 
 

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