Hier entsteht die neue Notunterkunft für Obdachlose in der Schustermooslohe

Weiden in der Oberpfalz
04.06.2023 - 16:01 Uhr
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Plötzlich geht es ganz schnell: In der Schustermooslohe stehen seit ein paar Tagen die ersten Wohnmodule für die neue Notunterkunft der Stadt Weiden. Dafür mussten die Stahlelemente allerdings erst einmal durch die Luft schweben.

Blanker Boden, Berge von Erdreich, ein blauer Kran: Das Gelände am Rande der Schustermooslohe ist nicht mehr wiederzuerkennen. Nichts erinnert hier mehr an die längst abgerissenen, maroden und laut Gutachtern gesundheitsgefährdenden Baracken aus den dreißiger Jahren, die die Stadt bis zum vergangenen Jahr als Notunterkunft genutzt hat. Am Mittwoch und Donnerstag schwebten insgesamt 16 Stahlmodule vom Rande des Wohngebiets auf die Baustelle. Hier können künftig bis zu 44 Obdachlose vorübergehend einziehen, unter völlig anderen Wohnbedingungen als früher.

Es war passgenaue Zentimeterarbeit nötig, um die Module auf die Baustelle zu bekommen, ohne Straßenschilder und Gartenzäune zu beschädigen. Der Tieflader, der die Stahlbauteile von Pilsen nach Weiden brachte, schaffte es zwar ins Wohngebiet, aber wegen einer Engstelle nicht auf das Zielgelände. Deshalb musste ein Kran die langen Teile vom Tieflader hieven und über den Luftweg auf die Baustelle heben. Dort wurden sie zum künftigen Wohnbereich zusammengesetzt. "Die Anwohner waren Gott sei Dank verständnisvoll", sagte Manfred Bock von der auf Stahl- und Holzmodulbau spezialisierten Firma Jaeger Modulbau. Das Unternehmen setzt das Projekt für die Stadt um. "Nach der Anlieferung ging es auf der Baustelle zu wie im Ameisenhaufen", meinte Sozialdezernent Wolfgang Hohlmeier. Die vorgefertigten Module wurden gestapelt, verbunden, mit dem Fundament verankert. Hohlmeier sowie Jutta Häusler, Leiterin des Amts für Hochbau und Gebäudemanagement, und Sabine Frischholz, Leiterin des Amts für soziale Dienste, machten sich selbst ein Bild vor Ort und konnten bereits kurz nach dem Aufstellen der ersten Module Teile der Notunterkunft von innen betrachten. Am Donnerstagnachmittag stand das zweigeschossige Haus 2. In rund vier Wochen soll die Montage des baugleichen Hauses 1 erfolgen. Neben Appartements im ersten Stock wird es im Erdgeschoss Verwaltungsräume, ein Quarantänezimmer und eine Gemeinschaftsküche enthalten. Ein Lagergebäude unter anderem für Matratzen und Habseligkeiten der Bewohner in herkömmlicher Stahlbauweise steht schon jetzt zwischen Haus 2 und dem Fundament für Haus 1. Die drei Bauten sollen später einen begrünten Innenhof einrahmen.

Wieder wohnen lernen

Die insgesamt 21 Appartements werden über Wärmepumpen beheizt und sind mit Fußbodenheizung, Sonnenschutzrollos, elektronischer Schließanlage, in der Regel zwei metallenen Betten, je einem Tisch und zwei Stühlen, zwei Spinden, Teeküche, Dusche, WC und Waschbecken aus vandalismus-sicherem Edelstahl ausgestattet. Eines der Zimmer soll vier Betten für eine Familie bereithalten. Auf dem Dach wird eine Photovoltaik-Anlage installiert. "Wir hatten Ingolstadt als Vorbild. Das hat viel geholfen", sagt Hohlmeier. Dort sei eine ganz ähnliche Wohnungslosenunterkunft gebaut worden, und die Stadt Weiden hätte bei der Planung ihrer Unterkunft von den Ingolstädter Erfahrungen profitieren können. Ein Hausmeisterservice wird in den Gebäuden nach dem Rechten sehen. Die Unterbringung in der Wohnungslosenunterkunft soll immer nur vorübergehend sein. "Hier können die Menschen wieder wohnen lernen", sagt Sabine Frischholz. Sozialdezernent Hohlmeier spricht von "Wohntraining". Man würde niemanden herauswerfen, aber Ziel sei es, die Menschen in eigenen Wohnraum und Selbstversorgung zurückzuführen.

In den kommenden Wochen werden Heizungen, Wasser, Abwasser und Elektrik installiert, Decken abgehängt. "Wir wollen schauen, dass wir auch möglichst schnell Estrich reinbekommen", so Manfred Bock. Wenn das Haus 1 in rund einem Monat montiert wird, könnten die Gewerke im Idealfall von Haus 2 zum neuen Modulkomplex weiterziehen. Ende November sollen die beiden Wohnhäuser und die Außenanlage planmäßig fertiggestellt sein. Die Stadt rechnet mit dem Einzug der ersten Bewohner Ende des Jahres oder im zeitigen Frühjahr. Die vom Stadtrat eigentlich auf 3 Millionen Euro gedeckelten Kosten für den Neubau stiegen bereits Ende des vergangenen Sommers auf 4,8 Millionen Euro. "Wir gehen momentan davon aus, dass wir noch im Rahmen sind", sagte Jutta Häusler am Donnerstag.

Einziger Wermutstropfen

Wer die Baustelle besichtigt, muss an Ursula Barrois denken, die sich mit ihrem Verein "Die Initiative" jahrzehntelang um die Obdachlosen der Stadt gekümmert hat und im Februar überraschend verstorben ist. Sie habe Tränen in den Augen gehabt, als der Stadtrat den Neubau der Notunterkunft beschlossen hat, erinnert sich Hohlmeier. Dass sie nun nicht mehr erleben kann, wie die Bewohner, die derzeit in sogenannten Schlichtwohnungen im Stadtgebiet untergebracht sind, dort einziehen, ist ein großer Wermutstropfen beim Anblick der Baustelle. Für 30. Juni ist das Richtfest geplant.

Barrois hatte sich auch dafür eingesetzt, dass die große Fichte im Innenhof der alten Unterkunft auch auf dem neuen Innenhof platziert wird. Unter dem Baum fand jedes Jahr die Weihnachtsfeier mit den Obdachlosen statt. Die Fichte allerdings gibt es nicht mehr. "Sie hat es nicht geschafft", sagt Hohlmeier. Doch man wolle eine neue Fichte aufstellen.

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Weiden in der Oberpfalz08.12.2022
Hintergrund:

Die neue Obdachlosenunterkunft

  • Ende 2022 / Anfang 2023: Abriss der alten Baracken, denen Gutachter eine "Gefahr für Leib und Leben" bescheinigt hatten
  • Neubau: zwei zweigeschossige Gebäude in Stahlmodulbauweise, ein Lager in herkömmlicher Stahlbauweise
  • Kosten: insgesamt 4,8 Millionen Euro
  • Unterkünfte: 21 Appartements für 44 Bewohner, hinzu kommen eine Gemeinschaftsküche, Verwaltungs- und Zweckräume, ein Quarantäneraum
  • Ausstattung: Wärmepumpen, Fußbodenheizung, geflieste Dusche, Edelstahl-WCs und Waschbecken, Teeküche, Metallbetten, Spinde, Tisch und Stühle, Sonnenschutzrollos, elektronische Schließanlage
  • Außenanlage: begrünter Innenhof, Lärmschutz zur Nachbarbebauung durch Platzierung und Aufbau der Gebäude sowie Blühwiesen um Gebäude
  • Fertigstellung: geplant für November 2023
 
 

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