Beim Weidener Textilreiniger badet das Brautkleid im historischen Whirlpool

Weiden in der Oberpfalz
10.08.2022 - 11:32 Uhr
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Aufplustern gehört für Ulrich Roscher zum Geschäft. Der Weidener Textilreinigermeister ist so begeistert vom Bügelautomat, dass man vom Schaufenster zuschauen kann, wenn seine Mitarbeiterin den Hemden die Falten buchstäblich ausbläst.

Das älteste Gerät, das in der Textilreinigung von Ulrich Roscher in Weiden in einer Ecke noch täglich seinen Dienst verrichtet, stammt aus dem Jahr 1958. Hergestellt hat es die Firma Langner aus Mantel, von der auch eine zehn Jahre jüngere Schleuder stammt. Der Wasserkessel gegen hartnäckigen Schmutz und Flecken wie am Saum eines ehemals weißen Brautkleides nach der Hochzeit funktioniert fast wie ein Whirlpool. Nur ist es nicht kalte Luft, die in dem stählernen Bottich blubbert. Dampf wärmt das Seifenwasser, in dem das Kleid weicht. Auf dem Tisch daneben ist Handarbeit mit der Bürste gefragt, um das gute Stück zuvor noch mit Fettlöser zu behandeln.

Sauberes Handwerk im Video

Zwei Mal links herum, zwei Mal rechts herum – fast wie beim Tanz während der Hochzeit geht es für das Brautkleid in der nur halb mit Wasser gefüllten Waschmaschine im Schonprogramm weiter. "Viel Zeit, damit der Schmutz einweichen kann, Seife und wenig Mechanik", beschreibt Roscher den Vorgang. Um unter den 40 Waschprogrammen das richtige zu wählen, muss er über Stoffe, ihre Eigenschaften und Farben Bescheid wissen.

800 Euro im Anzug

Gegenüber steht die Maschine der chemischen Reinigung. Dort kommt kein Wasser zum Einsatz sondern Silikon. 800 Euro in bar fand Roscher vor Jahren beim Ausleeren der Trommel, in der auch ein Hochzeitsanzug lag. "Das Geld für die Auslöse bei der Brautentführung ist aus der Tasche im Futter rausgeflogen", erinnert sich Roscher "Natürlich hat der Kunde alles wieder bekommen."

Seit 20 Jahren sind die früher gebräuchlichen Lösemittel aus Roschers Reinigung verbannt. Das heute verwendete flüssige und klare Silikon kommt in dem geschlossenen System aus einem 130 Liter fassenden Tank, löst den Schmutz in der Waschtrommel aus den Fasern, wird in einem Filterelement kontinuierlich gereinigt und kommt danach wieder zum Einsatz. Das ist gefüllt mit einem weißen Pulver. Flusen und Dreck verwandeln es in eine gummiartige rotschwarze Masse. Drei bis vier Metallfässer kommen so im Jahr zusammen, deren Inhalt als Sondermüll verbrannt wird.

Hauptzeit der Hochzeiten, in denen die Brautleute ihre Festkleidung in die Reinigung bringen, ist der Herbst. Die Saison für Roscher und sein Team ging früher bis Allerheiligen, dann herrschte Flaute bis das Geschäft mit Vorhängen und Teppichen vom Frühjahrsputz wieder anzog.

Dirndl und die rote Ente

Corona hat auch das verändert. Im Homeoffice zieht niemand einen Anzug an, den er in die Wäscherei bringt. "Allerheiligen ist nicht mehr die Modenschau wie früher", registriert Roscher eine schon länger andauernde Veränderung. Der Umsatz mit Hemden sei um 10 Prozent zurückgegangen. Der begeisterte Ski- und 2-CV-Fahrer spricht von einem Riesenglück für seine Branche, dass das Dirndl eine Renaissance erlebt. Auf der Straße ist der gelernte Elektriker und Textilreiniger als Erstbesitzer einer auffälligen roten Ente mit Heckkoffer unterwegs.

Bügeln im Schaufenster

Das Bügeln dieser Kultkleider ist anders als bei den Hemden reine Handarbeit. In Roschers Maschinenpark ist die zum Hemdenbügeln die neueste. "Sie ist im Schaufenster auch in Betrieb zu sehen." Die Negnal-Angestellten schaffen per Hand maximal 12 bis 15 Hemden pro Stunde. "Das ist Knochenarbeit", weiß der Chef. Maschinell sind es bis zu 30 Stück in derselben Zeit, denen nach dem Kragenglätten mit Dampf die Falten ausgepustet werden. Nicht geeignet ist das Gerät lediglich für super schmale und riesengroße Hemden.

Der Dampferzeuger in einer Ecke der Wäscherei sorgt mit 8 Bar Druck und einer Temperatur von 130 Grad nicht nur für glatte Wäschestücke, sondern heizt im Hauptgeschäft in der Ringstraße auch die Waschmaschinen. Das ist schneller und billiger, als wenn Elektroheizstäbe im Einsatz wären.

In Weiden betreibt der Textilreinigungsmeister Roscher noch eine Filiale im Kaufland und in Störnstein eine Teppichwäscherei. Zwischen Hof und Schwandorf, von Bärnau bis Vohenstrauß und Amberg gibt es 25 Annahmestellen. Wie sieht es mit der Konkurrenz in der Region aus? Ähnliche Dienstleistungen bieten nach Roschers Worten die Wäscherei Heberlein in Altenstadt/WN und Martin Amann betreibt in Grafenwöhr eine Reinigung. Ein etwas anderes Segment bedient in Weiden die Bettenreinigung Heia. "Außerdem gibt es Kollegen in Schwandorf und Amberg."

Der 64-jährige Ulrich Roscher betreibt die seit 1875 bestehende ehemalige Wäscherei und Färberei in vierter Generation. Ehefrau Martina kümmert sich um den Außendienst. Wie geht es nach ihnen mit dem alteingesessenen Handwerksbetrieb mit derzeit 14 zumeist langjährigen Mitarbeitern irgendwann weiter? Hier bleibt das Fragezeichen stehen. Die 18 und 22 Jahre alten Söhne haben sich beruflich bisher anders orientiert.

Hintergrund:

4 Faktoren, um Kleidung zu säubern

  • Mechanik: wie Bürsten, rubbeln und bewegen
  • Chemie: Seife, Silikon oder andere Reinigungsmittel
  • Temperatur: je nach Stoffart und Verschmutzungsart
  • Zeit: zum Weichen und Schmutz lösen, abhängig auch vom Verschmutzungsgrad
 
 

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