Keine Messen, Betriebspraktika gab es 2020 auch so gut wie keine. In der Oberpfalz und im Landkreis Kehlheim gibt es laut IHK-Regensburg rund 17 Prozent weniger Ausbildungsverträge (Stand 1. September) als im Vorjahr. IHK-Geschäftsstellenleiter Markus Huber spricht mit Oberpfalz-Medien über die Lage am Schwandorfer Azubi-Markt und über die Auswirkungen des Coronavirus auf noch unentschlossene Schulabgänger.
Den Kontakt zu Unternehmen in der Region zu finden, war heuer für junge Erwachsene und Jugendliche besonders schwer. Digitale Job-Messen könnten Huber zufolge nicht auffangen, was junge Menschen verpassen, wenn sie nicht persönlich auf Berufsmesse gehen können. "Das lebt einfach von der physischen Präsenz", sagt er. Das bestätigt in einem gewissen Grad auch Daniel Brandt von der Firma Horsch. Der Pressesprecher sagt, dass Horsch aktuell die Stellen für das kommende Jahr besetzt. "Wir sind hier auch weiter sehr zufrieden", erklärt er, wendet aber ein, dass weniger Bewerbungen als üblich reinkamen. Er glaubt, dass der ausgefallene Tag der offenen Tür und die abgesagten Ausbildungsmessen dafür verantwortlich sind.
Uni zieht junge Menschen an
Umso mehr überrascht es, wenn Huber von der IHK über die Auswirkungen der Coronapandemie auf die Zahl der Azubis sagt: "So wild ist die Geschichte eigentlich gar nicht. Corona hätte uns viel fataler treffen können." Er glaubt, dass es zwei Faktoren gibt, die mehr ins Gewicht fallen. Das sind der demographische Wandel und der "Trend zur Akademisierung". Immerhin kommen im Kammerbezirk Oberpfalz-Kehlheim auf rund 1500 unbesetzte Azubi-Stellen nur 126 junge Menschen, die heuer keine Ausbildung gefunden haben. Das bedeutet, dass auf einen Bewerber circa 12 freie Stellen kommen. 215 neue Azubis in technischen und 204 Azubis in kaufmännischen Berufen hat die IHK 2020 für den Landkreis bislang erfasst. Zum Vergleich: 2019 waren es im technischen Bereich 291 und im kaufmännischen 210.
Während es ein offenes Geheimnis ist, dass die Zahl junger im Vergleich zu alten Menschen immer kleiner wird, ist es insbesondere der Trend zur Uni, der Huber Bauchschmerzen bereitet.
Minderwertige Arbeit in Köpfen
Besonders stark spüren das die Betriebe, die überwiegend technische Berufe anbieten. Im Vergleich zum Vorjahr haben in diesem Jahr bislang 26 Prozent weniger Jugendliche einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Technische Ausbildungs-Berufe sind out, Studieren dagegen in. Ein Trend, den auch der Geschäftsführer vom Nabburger Unternehmen Inotech, Harald Kausler, spürt. "Das Interesse an den technischen Ausbildungsberufen bei jungen Menschen hat abgenommen", konstatiert er.
Dazu Huber: "Vielleicht ist es immer noch zu sehr in den Köpfen verankert, dass das minderwertige Arbeit ist." Es sei ein Irrglaube, dass nur der gutes Geld verdiene und sozial angesehen sei, der studiert habe. Aufstiegsmöglichkeiten gebe es auch ohne Uni-Abschluss. "Manche glauben, dass es nach der Ausbildung vorbei ist", sagt Huber. Ein Problem, das in den Schulen mehr behandelt werden sollte. Huber: "Da fehlt die Ausbildungsberatung. Es sollte Schülern aufgezeigt werden, welche Möglichkeiten sie haben."
Vielleicht ist es immer noch zu sehr in den Köpfen verankert, dass das minderwertige Arbeit ist.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
"Der KfZ-Mechaniker ist nicht mehr der, der da ein bisschen mit den Schraubenschlüsseln rumklopft", sagt Huber. Es brauche ebenso mehr Öffentlichkeit dafür, welchen Wandel die einzelnen Berufe über die Jahre durchgemacht hätten. Als der Beruf des technischen Zeichners in Produkt-Designer umbenannt wurde, war ein scheinbar altbackener auf einmal wieder topaktuell. Die Unternehmen konnten sich vor Bewerbern gar nicht mehr retten.
Vom dem Prinzip, alten Wein in neue Schläuche zu füllen, hält Huber von der IHK allerdings nicht viel. "Das ist höchstens ein Schritt von mehreren. Wir dürfen den Jugendlichen nichts vorgaukeln", sagt er. Vielmehr sollten es schon die Schulen als ihre Aufgabe begreifen, Perspektiven aufzuzeigen. Huber: "Wir müssen den jungen Leuten klar sagen, hey, schau doch mal, das hat sich geändert, mit diesen spannenden Aufgaben hast du zu tun, wenn du die Ausbildung machst."
Für Huber steht fest, dass sich etwas ändern muss. Der Fachkräftemangel ist real. "Über kurz oder lang werden wir das alle zu spüren bekommen", sagt er.
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