Ein efeubewachsenes, rotes Backsteinhaus am Ende einer Hauptstraße in Schnaittenbach. Die Sonne scheint und die Efeublätter glänzen im Licht. Ein Mann mit weißen Haaren, roter Brille und gelb kariertem Hemd öffnet die Tür. „Hallo, ich bin der Bebbo, kommt doch gerne rein.“ Josef „Bebbo“ Schuller ist ein bunter Hund in Schnaittenbach. „Niemand kennt mich unter dem Namen Josef hier“, sagt er lachend. Seine 60 Lebensjahre hat er in Schnaittenbach verbracht.
Ein verwunschenes Haus
Die Augen müssen sich erst einmal an die Dunkelheit im Haus gewöhnen. Ein schmaler Gang ist wage zu erkennen. Bebbo biegt direkt nach links ab. Ein Wok steht auf dem Herd. Es duftet nach Curry. Eine schwarzhaarige Frau sitzt an einem Tisch. „Wir gehen auf die Terrasse,“ raunt Bebbo der Frau zu. Es geht wieder nach draußen. Der Duft nach Curry verschwindet, die Terrasse erscheint. Sie ist umrahmt von einer Fensterfront. Ein Wintergarten also. Die Wand am Haus ist gelb. Daran hängen zwei Bilder und ein Schuhregal steht darunter. Daneben sind Holzscheite aufgestapelt. Auf der Fensterbank mit Blick in die Küche, stehen Gartenzwerg und Gießkanne. Das Regal neben den Holzscheiten ist voll mit Vasen, Porzellanfiguren, Zeitungen. Bebbo nimmt Platz an einem runden Tisch mit grün gemusterter Decke.
Das „Bierfassrollvirus“
Bebbo ist engagiert in Schnaittenbach. Seine rote Brille zurechtrückend sagt er: „Ich bin Bierfassroller, Guinessbuchrekordler, Vorsitzender vom Bund Naturschutz und Marterlbeauftragter in Schnaittenbach. Bierfassrollen? Das ist eine englische Sportart, die Anfang der 2000er nach Deutschland gekommen ist, erklärt Bebbo. Beim Bierfassrollen schiebt ein Zweier-Team ein Bierfass auf einer Strecke von 600 Metern vor sich her. „Man braucht viel Geschick und auch viel Kraft. Das Fass ist zwar leer, aber es hat trotzdem 50 Kilo.“ Plötzlich schiebt der gebürtige Schnaittenbacher den Stuhl nach hinten und springt auf. Er stürzt in Richtung eines kleinen mit Efeu überwucherten Bogens. Auf der anderen Seite des Bogens ist eine weitere kleine Terrasse. Ein leichter Wind ist zu spüren. Die Terrasse liegt im Freien.
Bebbo zeigt auf ein Fass in der Ecke. Das Fass ist groß, braun, mit rostigen Nägeln. Ein altes Weinfass. „Das ist zwar kein original Bierfass, aber das war unser Trainingsfass.“ Er nimmt zwei längere Stöcke in die Hand, die neben dem Bierfass stehen. Mit denen treiben die Bierfassroller das Fass vor sich her, erklärt Bebbo. Er drückt einen der Stöcke gegen das Bierfass und es beginnt sich langsam in Bewegung zu setzen. „In England haben damals Feuerwehrleute aus der Oberpfalz an der Bierfassrollweltmeisterschaft teilgenommen. Im Jahr 2003 haben sie eine Europameisterschaft in Störnstein in der Oberpfalz durchgeführt und so ist das Ganze dann zu uns gekommen, erzählt Bebbo mit einem Lächeln. Er selbst hat auch in Störnstein teilgenommen. „Nach einem Zeitungsaufruf im Neuen Tag habe ich mich gemeldet und ein Team auf die Beine gestellt.“ Das „Bierfassrollvirus“ hat ihn seitdem gepackt, sagt der 60-Jährige. Die Bierfassrollweltmeisterschaft findet jetzt in Chordovar in Tschechien statt. Trainiert hat Bebbo immer bei Sitz am Buch, einem Ortsteil von Schnaittenbach. „Da haben wir dann ein, zwei Mal die Woche trainiert.“
Am meisten Spaß am Bierfassrollen macht Bebbo allerdings das „Drumherum“, wie er sagt. „Man trinkt miteinander ein Bier, das ist natürlich alles umsonst“, sagt er augenzwinkernd.
Bebbo und seine Heimat Schnaittenbach
Bebbos Heimat Schnaittenbach
Bebbo bückt sich und stellt das Bierfass langsam wieder auf. „Ich zeig euch jetzt meine Lieblingsorte in Schnaittebach.“ Aus der Terasse führt ein Weg hin zur Straße. Bebbo läuft voraus. Entlang der Hauptstraße von Schnaittenbach, vorbei an Wohnhäusern, Rathaus und Gaststätten. Etwa 600 Meter später stoppt der gebürtige Schnaittenbacher. Ein beeindruckendes Bauwerk erstreckt sich vor dem Auge - weiß mit einem Glockenturm. „Das ist einer meiner Lieblingsorte,“ ruft Bebbo von etwas weiter vorne. Es ist die Stadtkirche St. Vitus von Schnaittenbach.
Im Innern ist die Kirche weiß. Sie wirkt freundlich und hell. Ein Blick zur Decke: riesige Gemälde aus vergangenen Zeiten. Goldenen Elemente an Altar und Wänden fügen sich in die Gesamtatmosphäre ein. Es riecht nach einer Mischung aus altem Gemäuer und altem Holz. Graf Gebhardt II. von Sulzbach soll um 1163 einen Maurer aus Hirschau beauftragt haben, eine Kirche in Schnaittenbach zu bauen. „1911 ist sie das erste Mal umgebaut worden“, erklärt Bebbo. „Ich bin auch Marterlbeauftragter in Schnaittenbach,“ sagt er in einem nächsten Satz. Marterl sind Feldkreuze, Bildstöcke, Kapellen und sonstige Flurdenkmäler die zur Erinnerung an verunglückte Menschen aufgestellt werden. „In Schnaittenbach gibt es 80 davon.“
Ausflugsziel Kräutergarten
Als Nächstes möchte Bebbo einen seiner weiteren Lieblingsorte zeigen. Es geht in den Kräutergarten von Schnaittenbach. Einmal über die Straße und schon erscheint ein Torbogen. Bebbo geht wieder voraus durch den dunklen Gang. Nach ein paar Metern durch den Gang wird es wieder hell und alles ist grün: der Kräutergarten. Die verschiedensten Kräuter sind hier zu finden. Von Thymian bis Minze. Alle sorgfältig mit einem weißen Schild beschriftet. Neben den Kräutern gibt es auch einen kleinen Brunnen und Bänke. Es ist ruhig, nur das Plätschern des Brunnens ist zu hören. „Den Kräutergarten hat ein Freund von mir 1997 geschaffen.“ Der sei mittlerweile allerdings in seiner wohlverdienten Rente. Die Stadt habe jemanden angestellt, der die Pflege des Gartens übernimmt. „Das ist ein wunderbarer Ort hier in Schnaittenbach. Der kostet auch nichts.“
Eins mit der Natur
Die Reise durch Schnaittenbach geht weiter. Diesmal ein kleines Stück mit dem Auto. Es geht zur Buchberghütte, dem nächsten Lieblingsort von Bebbo. Mit dem Auto raus aus dem Stadtkern, vorbei an grünen Wiesen und Feldern – einen Berg hinauf. Auf der Hälfte des Berges erscheint über die Felder hinweg ein Panoramablick auf die Stadt Schnaittenbach. Es geht immer weiter nach oben, über einen kleinen Waldweg. Am Ende des Weges steht die Buchberghütte. Die Gaststätte hat einige Gäste, die draußen in der Sonne ihr Eis genießen. „Das ist mein absolutes Lieblingsausflugsziel aus Schnaittenbach. Hier möchte ich bald meinen 60. Geburtstag nachfeiern“, sagt Bebbo.
Die Hütte liegt mitten in der Natur. Die Natur bedeutet Bebbo viel. Er ist seit über 30 Jahren im Bund Naturschutz. „Wir verstehen uns als grünes Gewissen der Stadt Schnaittenbach. Wir kümmern uns darum, dass Schnaittenbach grün und umweltfreundlich bleibt.“ Beispielsweise gibt es einmal im Jahr eine Umweltsäuberungsaktion. Bebbo wünscht sich, dass es nicht mehr nötig wäre, die Säuberungsaktion durchzuführen. „Es ist unvorstellbar, was die Leute alles in die Natur schmeißen. Es ist schrecklich.“ Eine einzelne Zigarette verschmutzt 40 Liter Grundwasser, sagt Bebbo traurig.
Bebbo schaut hinter sich und wirkt wieder etwas fröhlicher. „Dahinten steht übrigens noch ein Brunnen von meinem Großvater.“ Der Brunnen besteht aus einem Baumstamm. Das Wasser fließt in eine hölzerne Schale. Davor sind Farne gepflanzt. Den Brunnen hat Bebbo als Kind mit seinem Großvater geschnitzt. „Es ist ein schönes Andenken an meinen Großvater. Wir haben uns beide hier in Schnaittenbach verewigt.“
Die Stadt Schnaittenbach
- Schnaittenbach ist eine Stadt im Landkreis Amberg-Sulzbach.
- Die Stadt hat etwas mehr als 4000 Einwohner.
- Stadtrechte seit 1954.
- Wirtschaftlichen Aufschwung brachte 1833 der Kaolinabbau.
- Kaolin ist verwitterter Feldspatt, der zur Herstellung von Porzellan verwendet wird.
Serie: Besondere Menschen und Orte in der Region
Was macht die Oberpfalz so einzigartig? - Dieser Frage gehen die Volontäre von Oberpfalz-Medien auf den Grund. Anlässlich des diesjährigen Dreifach-Jubiläums im Medienhaus wollen sie die Vielfalt der Region würdigen. Sie suchen für die Serie "echt. Oberpfalz" nach besonderen Menschen, kreativen Köpfen, bunten Hunden, außergewöhnlichen Vereinen oder verrückten Traditionen, die unsere Heimat so einzigartig machen. Die Volontäre fahren einmal quer durch die Oberpfalz und machen Halt an berühmten und auch vielleicht nicht so berühmten Orten. Den Auftakt macht die Biodiversitätsgemeinde Tännesberg. Und es sollen noch viele weitere Städte und Gemeinden folgen. Bei Ihnen gibt es auch etwas Besonderes und Einzigartiges in Ihrem Heimatort? Dann schreiben Sie uns an jubi[at]oberpfalzmedien[dot]de. Vielleicht schauen unsere Volontäre auch in Ihrer Heimat vorbei.
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