Alles beginnt mit einem Herzfehler: So lebt die kleine Leonie aus Pressath ihren Alltag

Pressath
10.03.2023 - 14:14 Uhr
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Die kleine Leonie hat seltene Erkrankungen. Bald wird das Mädchen aus Pressath drei Jahre, kann aber weder laufen noch sprechen. Die Eltern Peggy und Thomas Baaße kämpfen jeden Tag für neue Fortschritte. Wer will, kann helfen.

Was Leonie von der Welt mitbekommt, wissen weder ihre Eltern noch die Ärzte genau. Ob sie die Küsschen ihres älteren Bruders spürt oder die Glitzer-Einhörner über ihrem Bett an der Wand sieht? Das kleine Mädchen aus Pressath krabbelt nicht, läuft nicht und plappert kein einziges Wort, so wie andere Kinder im Alter von drei Jahren. Leonie kam mit einem Herzfehler zur Welt und sitzt im Rollstuhl.

Doch wegen einer sogenannten Bronchomalazie kann die Lunge nicht so arbeiten wie bei einem gesunden Kind. Und das ist noch nicht alles, wie die Mutter schildert: "Am Chromosom 2 fehlt ein Stück. Das ist dafür zuständig, dass sich ein Kind gut entwickelt. Wachsen, lernen, sprechen. Das funktioniert bei Leonie nicht ganz so." Ohne Hilfsmittel, wie etwa einem Therapiestuhl, hängt die fast Dreijährige noch immer wie ein Baby im Arm der Mutter oder des Vaters. Keine einfache Aufgabe für die Eltern, denn das Mädchen wiegt inzwischen 15 Kilogramm, kann aber nicht allein stehen.

Das Wohnzimmer erinnert an eine Kinder-Krankenstation

Dass es dieses Mal anders sein wird als mit dem ersten Kind, war den Eltern bewusst. Doch dass so viele Tränen, Leid, Verzweiflung und zugleich jede Menge Mut nötig ist, hat ihnen viel abverlangt und ihren Alltag komplett umgekrempelt. Das Wohnzimmer der Familie erinnert an eine Kinder-Krankenstation: Neben Spielzeug und einem Kinder-Rollstuhl liegen Einweghandschuhe für den Pflegedienst im Regal, auf dem Tisch stehen Medikamente. Dreimal pro Tag soll das Mädchen inhalieren, um die Atemwege zu befeuchten. "Leonie hat ein untypisches hypoplastisches Linksherzsyndrom", erklärt Peggy Baaße, Mama von Leonie. Die linke Herzhälfte sei unterentwickelt gewesen, die rechte hingegen vergrößert. Zwei Operationen hat die Kleine schon hinter sich.

Zweimal pro Woche kommt eine Physiotherapeutin, um die Beweglichkeit des Kindes zu fördern, zum Beispiel das Drehen auf dem Boden. "Alles spielerisch", sagt Peggy Baaße. Ziel ist es, Muskulatur an den Händen aufzubauen, damit Leonie ihren Rollstuhl einmal selbst schieben kann. Mit den Fingern zugreifen, das kann die Dreijährige. "Manchmal kneift sie mich richtig", freut sich Papa Thomas Baaße.

Umso mehr verfolgt er kleinste Fortschritte. "Leonie wirft gerne Sachen", sagt er und drückt ihr ein Schwarz-Weiß-Büchlein für Kinder in die Hand, an dem Leonie mit ihren Zähnen knabbert, ehe es das Mädchen in hohem Bogen davonwirft. "Sie kann schon was", sagt der Vater ermutigend, während Leonie ein Lächeln übers Gesicht huscht. "Sie kann auch schreien. Sehr laut. Und weinen", fügt er hinzu. "Doch sie macht eben nichts, was ein normales Kind in diesem Alter machen könnte", weiß Baaße aus eigener Erfahrung. Bis heute isst Leonie nur kleinste Mengen Brei, sie wurde lange über Magensonden ernährt und bekommt spezielle Milchnahrung.

Peggy Baaße hatte viele Jahre einen Kinderwunsch

Thomas und Peggy Baaße haben bereits einen fünfjährigen Sohn, der wegen der Behinderung seiner Schwester nicht zurückstecken soll. Elias kam gesund zur Welt. 16 Jahre lang hatte die gebürtige Brandenburgerin versucht, schwanger zu werden. Heute sagt sie stolz: "Meine beiden Kinder sind für mich wie ein Sechser im Lotto." In der Öffentlichkeit wird das allerdings nicht immer so wahrgenommen: "Man merkt schon, ob man mit dem Buggy oder mit dem Rollstuhl unterwegs ist. Manche nehmen Rücksicht, manche grenzen einen aber auch aus", sagt die zweifache Mutter, die seit drei Jahren weiß, wie aufwändig es ist, Nachweise für die Krankenversicherung zu sammeln und Anträge für Hilfsmittel auszufüllen.

Ein Pflegedienst unterstützt sie mit 80 Stunden pro Monat, vor allem in der Nacht, damit die 41-Jährige sich auch mal ausruhen kann oder am Nachmittag, um ein paar Stunden mit Elias allein zu verbringen. Einmal pro Woche kommt eine Heilpädagogin des Blindeninstituts Regensburg. "Die Pädagogin versucht, Aktion und Reaktion zu testen und zu fördern", erklärt Peggy Baaße. "Wir wissen nicht genau, was sie sieht. Sie hofft, dass Leonie ihre neue Brille akzeptiert.

Eigentlich hat das Mädchen auch ein Hörgerät und eine Nasenbrille für die Zufuhr von Sauerstoff. Doch es ist immer das gleiche Spiel: Leonie reißt sich die Nasenbrille einfach herunter. Nach Tests mit dem Sauerstoff-Monitor habe der Kardiologe signalisiert, dass Leonie tagsüber ohne Sauerstoff auskommt. Nachts sei die Sauerstoff-Maske aber weiterhin nötig. Neben dem Kinderbett stehen große Sauerstoff-Tanks, daneben der Monitor, der sämtliche Herzaktivitäten und die Sauerstoffsättigung überwacht. Viele Kabel, Schläuche und Sensoren sind zu sehen. "Für mich war das auch alles neu", sagt Thomas Baaße. Inzwischen ist er geübt darin, den Sensor am Fuß seiner Tochter anzubringen. Bei Autofahrten sind Monitor und tragbare Sauerstoff-Flaschen immer dabei - ebenso der Aufkleber am Kofferraum: "Kind mit Sauerstoff an Bord". Wenn sich der Mund-Nasen-Bereich von Leonie bläulich färbt oder die Haut des Kindes ungewöhnlich weiß ist, müssen die Eltern schnell reagieren und ihr die Sauerstoff-Maske aufsetzen.

Sohn Elias geht in Pressath in den Kindergarten

Während der 55-jährige Familienvater in der Arbeit ist, wartet auf Mama Peggy tagsüber ein volles Programm samt Haushalt. Um 6.15 Uhr steht sie auf, weckt ihren großen Sohn, macht Frühstück und Brotzeit für Elias. Ab 7 Uhr kümmert sie sich um Leonie. Großeltern vor Ort, die kurz aufpassen könnten, gibt es nicht. Wenn Peggy Baaße ihren Sohn in den Kindergarten fährt, kommt seine Schwester mit. Vom Bett bis zum Auto: Was sich so einfach anhört, ist jeden Tag ein Kraftakt für die Frau, die das Kind ins Auto hievt und aufpassen muss, dass es sich nicht an der Autodecke anstößt.

Das alte Fahrzeug ist eigentlich zu klein, wie die Eltern schildern. Um ein behindertengerechtes Auto zu finanzieren, haben sie online eine Crowdfunding-Aktion gestartet. Die gelernte Restaurant-Fachfrau geht nach drei Jahren Elternzeit auch wieder ein paar Stunden im Supermarkt arbeiten. Der Gedanke, von ihrer Tochter auch nur kurze Zeit getrennt zu sein, fällt ihr schwer. Wie es um die Lebenserwartung für Leonie steht, sei selbst Ärzten unklar. Peggy Baaße sagt: "Man kann keine Prognose abgeben, wie alt sie wird. Das haben wir immer im Hinterkopf." Fraglich sei, wie sich schwere Infekte auf die Lunge auswirken. "Bisher hat sie alles weggesteckt", sagt die Mutter und atmet auf. Kraft gibt ihr vor allem ihr älterer Sohn Elias.

Pressath13.03.2023
 
 

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