Mit 17 Jahren sitzen Fahranfänger üblicherweise in Begleitung von Mama oder Papa mit schweißnassen Händen am Steuer der Familienkutsche. Schnuckelige Kleinwagen wie Opel Adam, Fiat 500 oder Mini Cooper sind bei Mädchen wegen ihres Styles und der überschaubaren Karosserie sehr beliebt. Sandra Bayer ist da anders gestrickt. Die 18-jährige Pleysteinerin fährt lieber Bus. Aber nicht als Gast, sondern hinterm Lenkrad. Die Tochter des Busunternehmers Tino Bayer hat vor wenigen Tagen ihren Busführerschein bestanden, als einzige Frau in einer 25 Mann starken Klasse.
Reaktionen von Autofahrern
Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien wirkt Sandra sehr zurückhaltend. Dass sie trotz ihrer zierlichen Figur und einer Körpergröße von gerade mal 1,53 Metern richtig Gas geben kann, erkennt man erst auf den zweiten Blick. So geht es offenbar auch Menschen, die die junge Frau mit dem hüftlangen Haar im Straßenverkehr am Steuer eines 15 Meter langen Busses registrieren. "Ja, die Blicke sind schon krass. Vor allem an der Ampel, wenn Autofahrer zu mir hochschauen und mich dann genau fixieren", erzählt Sandra und grinst dazu. Schon bei den Fahrten mit dem Fahrschulfahrzeug, einem gelben Schweizer Postbus, hätten Passanten große Augen gemacht, weil da "ein Mädchen" am Steuer saß.
Als zweites Kind einer Busunternehmerfamilie blieb Sandra nach dem Abschluss an der Mittelschule in Vohenstrauß mitten in der Coronapandemie fast keine andere (Berufs)Wahl. Ihr Vater Tino erinnert sich: "Eigentlich wollte sie einen Bürojob lernen. Aber dann war Corona, und es wurde sehr schwierig, eine Stelle zu finden." Die Ausbildung im eigenen Familienbetrieb zur Berufskraftfahrerin im Personenverkehr sei dann naheliegend gewesen. "Mit 17 hat sie schon Schüler in einem Acht-Sitzer befördert", meint der stolze Vater. Im Rahmen der Ausbildung war das durchaus möglich. "Aber wenn sie am Abend mit dem Auto zum Einkaufen fahren wollte, musste ich daneben sitzen, weil das beim normalen Führerschein mit Begleitendem Fahren vorgeschrieben ist."
89 Pflichtfahrstunden
Vor wenigen Tagen hat Sandra nach insgesamt 89 Pflichtfahrstunden den Busführerschein bestanden. "Der Prüfer meinte, dass sie 1a fährt", fasst ihr Chef und Vater kurz zusammen. Unter anderem musste sie während des 85-minütigen Tests den Bus rückwärts um eine Kurve lenken. Am Mittwoch stand die Prüfung bei der IHK in Regensburg auf dem Programm. "Da muss ich eine Stunde durch Regensburg fahren", erklärt Sandra. Zu guter Letzt steht ein Parcours auf der Prüfungsliste. Von Nervosität ist bei der Pleysteinerin nichts zu spüren. "Am Anfang hatte ich schon etwas Respekt. Mit einem Bus muss man ja weit ausholen und es gibt Autofahrer oder Radfahrer, die keine Rücksicht nehmen und einfach vorbeifahren", erzählt Sandra. Mittlerweile fährt sie aber ohne Bedenken durch den Weidener Stadtverkehr.
Vater wie Tochter scheinen ein Talent für das Busfahren mitzubringen. Ein entspanntes Gemüt und gute Nerven sind vor allem bei der Beförderung von lärmenden Schulkindern oder siegestrunkenen Fußballfans vorteilhaft. "Also ich habe mit Kindern kein Problem, in meinem Bus sind alle brav", meint Sandra. Ihre ruhige Art scheint sich auf die kleinen Fahrgäste zu übertragen. Aktuell darf die Berufsanfängerin Strecken in einem Radius von 50 Kilometern zurücklegen. "Erst mit 21 darf Sandra dann überall hinfahren. Bei uns sind das vor allem Tagesrouten in einem Radius von 400 oder 500 Kilometern." Für die langen Reisen zum Beispiel bis an Nordkap werde der Chef seine Tochter wohl nicht gleich einsetzen.
Technisches Verständnis
In der dreijährigen Ausbildung müssen sich Berufskraftfahrer natürlich auch technisches Verständnis für das Fahrzeug aneignen. Kleinere Reparaturen oder ein Reifenwechsel sollten keine Probleme bereiten. Der Busfahrerberuf, so die Meinung von Tino Bayer, sei enorm abwechslungsreich, stecke aber wie so viele andere Sparten in einer tiefen Krise. "Leider ist es nicht so bekannt, dass es sich um einen klassischen Ausbildungsberuf handelt. Viele meinen, dass es nur über einen Busführerschein geht, den man selber zahlen muss. Die Kosten von mittlerweile 10.000 Euro schrecken viele ab." In Sandras Klasse wollten von den insgesamt 25 Schülern nur zwei nach der Ausbildung Busfahren. Der Rest habe den Schein gemacht, um als Lkw-Fahrer arbeiten zu können.
Wie lange sie tatsächlich in den langen Vehikeln Gäste durch die Gegend chauffieren wird, könne sie nicht sagen. "Vielleicht mache ich doch noch eine andere Ausbildung." Den Führerschein für PS-starke Großkaliber hat sie jedenfalls in der Tasche. Um die Frage nach dem ersten eigenen Auto noch zu beantworten: Sandra fährt privat kein süßes Schnuppelmobil, sondern einen Audi A3.
Ausbildung zum Berufskraftfahrer
- Dauer: 3 Jahre
- Dual: an der Berufsschule Roth bei Nürnberg und im Ausbildungsbetrieb
- Erster Teil: Kennenlernen der Funktionsweise der Fahrzeuge wie Motor, Fahrwerk sowie die mechanischen und elektrischen Systeme.
- Zweiter Teil: Fahrtraining mit Fahrzeugkombinationen und Sattelkraftfahrzeuge der Klasse CE mit einer Mindestlänge von 16 Metern oder ein Fahrzeug der Klasse D mit einer Mindestlänge von 10 Metern.
- Ausbildungsinhalte: Rechtsvorschriften im Straßenverkehr; Kontrollieren, Warten und Pflege der Fahrzeuge; Verhalten bei Kundenkontakt; Verhalten bei Unfällen; Logistik/Fahrtenplanung; Vertragsabwicklung
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