So eine Buchmesse ist längst kein Pflichttermin mehr für die Händler, spätestens seit die Corona-Pandemie das Geschäft in die digitale Welt verlagert hat. Was reizt dann an diesem Trubel rund ums Buch, der nicht nur die Vertreter aus der Branche lockt? Oberpfalz-Medien hat die Inhaberin des Buchcafés, Karin Wilnauer, auf ihrer Tour durch die Hallen begleitet. Die 44-Jährige hat vor zehn Jahren in Pfreimd eine Mischung aus Café und Buchhandlung am Marktplatz von Pfreimd etabliert und weiß, was ihre Leser wünschen. Bilderbücher prüft man am besten live, meint sie: "Und gerade die kleinen Verlage rutschen mir sonst durch."
"Da fahre ich nie wieder hin": Mit dieser Bilanz kam Karin Wilnauer 2011 von ihrer ersten Buchmesse zurück. Das hat sich schnell geändert, als im dritten Lehrjahr Pläne für ein eigenes Projekt reiften. "Da hat es mich erst so richtig reingezogen in diese Szene voller Lebendigkeit und Vielfalt mit diesem bunten Volk" schwärmt die Buchhändlerin, die seither jedes Jahr vorzugsweise die Leipziger Buchmesse besucht. "Einen Tick heimeliger" sei es da als in Frankfurt.
Wer zum ersten Mal die weitläufigen Hallen betritt, ist allerdings zunächst überflutet von Bildern, die scheinbar gar nichts mit dem Buch zu tun haben. Eine feenartige Gestalt fällt mit einer riesigen Pusteblume auf. Arm in Arm mit Comic-Superhelden und einem Drachen auf zwei Beinen passiert eine Frauenfigur aus einem Manga (japanische Form des Comics) im bauschigen Rüschenkleid die Regale voller bunter Cover. In Halle eins findet zeitgleich die Manga-Comic-Convention statt, Cosplayer nennt man diese der Comic-Welt entsprungenen Gestalten. Karin Wilnauer lässt sich davon nicht ablenken. Sie hat sich einen Plan ausgedruckt, um die wichtigsten Autoren und Themen am Eröffnungstag nicht zu verpassen.
Von Liebe und Zwang
"Als Buchhändler bist du auch ein Geschichtenerzähler", erklärt die 44-Jährige, die ihren Kunden mehr servieren will als das, was auf dem Klappentext steht. Deshalb steuert sie gleich die Arena eines Fernsehsenders an, wo Autorin Julia Schoch über ihren Ausgangssatz "Ich verlasse dich" im neuen Roman "Das Liebespaar des Jahrhundert" Rechenschaft ablegt. Ein weiterer Kandidat, Schriftsteller Robert Seethaler, einer der wichtigen Vertreter aus dem diesjährigen Gastland Österreich, ist so umlagert, dass kein Platz mehr ist, um seinen Worten zu lauschen.
Aber da ist David Safier mit seiner "emotional wahren" Familiengeschichte und gleich danach Michael Köhlmeier, der viel über seine spezielle Art des Schreibens preisgibt. "Wenn ich meine Figuren auf einen Weg zwinge, dann verstummen sie", sagt Köhlmeier, der gern im Zug fabuliert. "Hoffentlich kommt es nicht so weit, dass ich eine Fahrkarte kaufen muss, um zu schreiben", so der Autor und Ehemann von Monika Helfer, die im selben Metier unterwegs ist. "Ich kann jedem Schriftsteller nur raten, eine Schriftstellerin zu heiraten", so die persönliche Bilanz des 73-Jährigen.
Ein paar Gänge weiter hört sich die Pfreimder Buchhändlerin die Erfahrungen zweier Autorinnen mit einem Newsletter an. Es geht um Zugriffszahlen und Zielgruppen und darum, dass so die Werbung effektiver ist als über die in eine Vielzahl zersplitterten Sozialen Medien. Profis und Professoren sprechen über die Vorteile eines Podcasts in der Literatur, weil das "nebenbei und sehr tief" funktioniert, kurz: "ein starkes produktives Vermittlungsmedium, das vor allem dann gut klappt, wenn die Qualität stimmt und es "menschelt". Ein paar Meter weiter ist die Bundestagsabgeordnete Claudia Roth auf dem Weg zum Stand des Pen-Clubs, wo sie als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien für den Kultur-Pass wirbt.
Preisgekröntes im Praxistest
Nachmittags dann ist die Verleihung des Leipziger Buchpreises ein Muss. Am interessantesten findet Karin Wilnauer aber nicht den Gewinner in der Kategorie Belletristik, sondern das Werk der Argentinierin Aurora Venturini mit dem Titel "Die Cousinen", für dessen Übersetzung Johanna Schwering honoriert wird. "So eine Ich-Erzählerin hat die Welt noch nicht gehört", heißt es in der Laudatio. Doch ist ihre Sprache auch etwas für ein breiteres Publikum? Karin Wilnauer blättert anschließend beim Stand des Verlag durch die ersten Seiten. Und ja, das liest sich gut, findet sie. Inzwischen ist jedoch auch der Preis an der Kasse ein Kriterium für Bücher, die sie ordern wird. "Der neue John Irving wird auch für 40 Euro gekauft", schätzt sie. So viel wollen die Fans anderer Autoren nicht ausgeben.
Die Pfreimder Buchhändlerin eilt weiter, um am Ende doch noch Favorit Robert Seethaler bei einem weiteren Auftritt zu lauschen. Der liest zwei Kapitel aus seinem Neuling "Das Café ohne Namen", das in den 60er Jahren in seiner früheren Heimat Wien verortet ist. Anders als Köhlmeier verträgt er beim Schreiben keinerlei Ablenkung, "weil Bilder Platz brauchen zum Entstehen". Sehr langsam und "fürchterlich mühsam" sei das und wachse "wie in einer Tropfsteinhöhle". "Nein, das macht keinen Spaß", gesteht der Schriftsteller und relativiert das vor dem schmunzelnden Publikum ein wenig mit den Worten: "Das ständige Geschrei nach Spaß geht mir auf den Geist."
Solche Begegnungen sind es, die später so manche Lektüre in ein neues Licht tauchen können. Schätze, die Karin Wilnauer neben vielen Buchtiteln auf der Heimfahrt im Gepäck hat. Und im Ohr noch das, was Autor Seethaler einem Moderator der "taz" so treffend über die Buchmesse selbst gesagt hat. Sein Kommentar angesichts der Menschenmassen: "Wunderschön und kaum auszuhalten!"
Zur Person: Karin Wilnauer
- Wurzeln: aufgewachsen in Pfreimd
- Ausbildung: zunächst als Ergotherapeutin, dann Berufspraxis in der Schweiz, dort 2009 bis 2012 in Schaffhausen Lehre im Buchhandel
- Geschäftsmodell: 2013 Eröffnung der Kombination aus Café und Buchhandlung am Pfreimder Marktplatz zusammen mit Schwester Birgit Wilnauer
- Termin: Infos über "Schätze der Leipziger Buchmesse und mehr" am Dienstag, 9. Mai, 19 Uhr im Buchcafé. Wegen begrenzter Plätze Anmeldung unter Telefon 09606/9237766 erforderlich.
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