In Schwandorf wird es bald eng: Das Krankenhaus St. Barbara verfügt derzeit nur noch über ein bis zwei Intensivplätze für den Notfall. Doch liege es weder an den Betten noch an den 2020 so raren Beatmungsgeräten: "Der limitierende Faktor ist dabei das Pflegepersonal", sagt Geschäftsführer Dr. Martin Baumann. Zwar hätte das Krankenhaus in den letzten Jahren ordentlich Pflegekräfte werben können, aber die Kombination aus der vierten Corona-Welle und dem generellen Anstieg an Infektionserkrankungen droht den Stationen das Genick zu brechen.
Kaum Zeit für Patienten
Während das Krankenhaus Schwandorf schon schwere Entscheidungen treffen muss, merkt man im Klinikum Amberg sowie dem St.-Anna-Krankenhaus Sulzbach-Rosenberg in der Bettenbelegung noch die vergleichsweise niedrigen Corona-Fallzahlen. Die Covid-Stationen würden von flexiblen Mitarbeitern aus anderen Bereichen unterstützt, heißt es von den Pressestellen. Eine Krankenschwester aus der Region berichtet aber: "Es wird erwartet, immer für die Arbeit bereitzustehen, anstatt mal Hilfe an anderer Stelle zu suchen." Der einzige Halt für viele sind die Kollegen. Die Pflegerin kritisiert auch, dass Stationen Stück für Stück zu Covid-Stationen umgewandelt würden und die Pflegekräfte keine Wahl hätten, als dort eingeteilt zu werden. Das sei besonders problematisch für die Auszubildenden, denen so nun die Erfahrung in der Betreuung von regulären Patienten fehle.
Kollegen, die ihren Beruf komplett aufgegeben haben, kenne sie aber nicht. "Die Personen, die gegangen sind, haben meist nur auf eine andere Station gewechselt." Eine andere Option für die Pfleger sei, die Arbeitszeit zu reduzieren, "um dem eigenen und zurecht hohen Anspruch an eine empathische Pflege gerecht zu werden", so das Krankenhaus Schwandorf.
Die anhaltende Belastung durch die eineinhalb Pandemiejahre nagt an der Ausdauer und der Moral der Pfleger. "Wir haben so einen tollen Beruf und können diesen im Moment nicht so erfüllen, wie wir uns das alle vorstellen, weil die Zeit für den einzelnen Patienten sehr knapp ist", so Kerstin Wittmann, Pflegedirektorin des Klinikums Amberg. Sie kann aber nicht berichten, dass sich ihre Belegschaft auffällig verkleinert hätte. Eher wirkt die Pandemie als Verstärker für Faktoren, die den Beruf des Pflegers sowieso schon erschweren. Sie habe seit jeher beobachtet, dass Pflegekräfte ihren Beruf aufgeben, wenn Wochenend- und Schichtdienst mit ihrem Privatleben nicht vereinbar wären.
Das wird von den Gewerkschaften ebenso wahrgenommen. "Corona ist jetzt das Brennglas, aber die Pflegekräfte sind schon lange in der Situation, die Belastung nicht dauerhaft auszuhalten", so Verdi-Vertreterin Marina Mühlbauer. Neben der psychischen Belastung, hilflos Menschen sterben zu sehen oder sich selbst die Schuld an einem Ausbruch zu geben, liegt es vor allem an den körperlichen Strapazen, dass sich zahlreiche Pflegekräfte über längere Zeit krankmelden müssen oder sogar umorientieren. Aufgaben wie "Betten-Tetris", wenn Patienten aufgrund von Coronatests zwischen Zimmern hin und her verlegt werden müssen, oder das Drehen von Kranken, während man eine komplette Schutzausrüstung trägt, zehren an den Ressourcen der Pfleger. Trotzdem würden die Pflegekräfte immer wieder über ihre Grenzen hinausgehen, denn laut Mühlbauer hätten sie einen Berufsethos: "Jetzt ist Pandemie, deshalb helfe ich." Kaum jemand könne das aber sein Berufsleben lang durchhalten. In der Altersklasse über 50 gebe es quasi nur noch Teilzeitkräfte, die aufgrund der anhaltenden Belastung lieber noch nebenbei in einem 450-Euro-Job statt Vollzeit in der Pflege arbeiten.
Um die Belastung zu reduzieren, fordert Verdi, die Fachkraftquote zu erhöhen und die Arbeitszeiten zu verkürzen. Eine praxisorientierte Ausbildung würde den Beruf zusätzlich attraktiver machen, leider fehlt dazu fast immer die Zeit. Ein Teufelskreis, der auf Mangelfinanzierung basiert.
Finanzielle Sanktionen
Die Überbelastung bringt die Krankenhäuser noch zusätzlich in Schwierigkeiten. "Wir müssen jeden Tag abwägen, ob wir der Einhaltung der Pflegepersonaluntergrenzen oder der akuten Versorgung von Menschen in Not einen höheren Stellenwert einräumen", so Baumann. Pflegepersonaluntergrenzen stellen im Regelbetrieb sicher, dass die Krankenhäuser einen Pfleger nur für eine gewisse Anzahl Patienten einsetzt. So wird vermieden, dass die Krankenhäuser am Personal sparen und gleichzeitig über die Fallpauschalen mehr einnehmen. Das sichert den Patienten eine ordentliche Pflege und dem Personal Schutz vor Überarbeitung. In der Corona-Praxis sind diese Grenzen jedoch schwer einzuhalten und einige Krankenhäuser in der Region müssen bereits mit Strafzahlungen wegen Unterschreitung rechnen. "Es wäre ein Zeichen der Wertschätzung unserer Arbeit, wenn die mit den Pflegepersonal-Untergrenzen verbundenen maßlos überzogenen bürokratischen Dokumentationspflichten sowie finanziellen Sanktionen für die Dauer der Corona-Pandemie ausgesetzt würden", findet Baumann vom Krankenhaus Schwandorf. Eine solche Aussetzung gab es schon am Anfang der Pandemie im März 2020. Nachdem die Untergrenzen aber am 1. August 2020 wieder in Kraft traten, wurden sie sogar noch verschärft.
Noch dazu berücksichtige die Untergrenze nicht den Pflegebedarf eines Patienten, wie Wittmann ergänzt. Eine demente Person etwa benötige mehr Aufmerksamkeit als ein geistig klarer Patient, im Tagesbetrieb würden aber auf normalen Stationen immer zehn Patienten pro Pflegekraft gerechnet, unabhängig vom Aufwand. Michaela Hutzler, medizinische Direktorin der Kliniken Nordoberpfalz, bestätigt das: "Die Untergrenzen-Verordnung bedeutet vor allem Zählen und Dokumentieren." Eine Verbesserung wäre nur durch eine umfassende Reform der Krankenhausfinanzierung möglich, angefangen vom Schaffen von mehr Ausbildungsplätzen. Auch sollten die Bereiche gefördert werden, die keine Betten führen, wie Notaufnahme oder OP.
Mehr Pfleger als erwartet
Überraschend ist: Trotz aller Schwierigkeiten gab es in der Region zuletzt sogar einen leichten Anstieg der Anzahl an Pflegekräften. Laut Agentur für Arbeit Schwandorf habe man im Zuständigkeitsbereich kaum Berufsausstiege festgestellt, im Gegenteil: Pfleger, die zwischenzeitlich in andere Bereiche abgewandert wären, hätten ihre ehemaligen Berufe wieder aufgenommen, wie die Vorsitzende der Geschäftsführung, Silke Grimm, erklärt. Auch die Krisensicherheit mache den Pflegeberuf attraktiv. Als zusätzliche Förderung vermittele die Agentur weiterhin Personal aus dem Ausland und bilde Quereinsteiger weiter.
Letztlich ist die Lage in den Kliniken der Region angespannt, aber gerade noch zu bewältigen. Tatsächlich scheint sich im Umgang mit der Pandemie eine gewisse Routine eingespielt zu haben. Aber trotz aller Erfahrung bleibt die Belastung des Pflegepersonals ununterbrochen hoch.
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