Landestheater Oberpfalz holt Judas und Ismene aus den Schatten

Nabburg
05.04.2023 - 20:31 Uhr

Judas und Ismene teilen dasselbe Schicksal. Beide sind in großen Geschichten nur Randfiguren. Die Regisseure Till Rickelt (Judas) und Jona Manow (Ismene, Schwester von ...) geben ihnen in einer spannenden LTO-Inszenierung eine Stimme.

ONETZ: Was war die Herausforderung bei der Inszenierung?

Till Rickelt: Monologe sind immer eine ganz spezielle Form zu proben, einfach weil der eigentliche Adressat und Anspielpartner in der Probenzeit komplett abwesend ist und erst zur Premiere da ist.

Jona Manow: Theater ist ja an sich schon recht absurd: Menschen sprechen vor einem Publikum miteinander oder tun irgendetwas. Das „Warum“ musst du dir eigentlich bei jeder Inszenierung stellen, aber bei einem Monolog irgendwie nochmal mehr: Die Figur hat keine Partner auf der Bühne, warum spricht sie dann?

ONETZ: Warum passen Bernhard Neumann und Mona Fischer besonders gut in diese Rollen?

Till Rickelt: Bernhard hat ja im Herbst den Judas in der Passion in Tirschenreuth gespielt. Schon damals hat er sich sehr intensiv mit der Judas-Figur beschäftigt und ist dabei auch auf den Monolog von Lot Vekemanns gestoßen. Irgendwann hat er mir erzählt, dass ihn die Art und Weise, wie Judas sich selbst und sein Handeln reflektiert, total fasziniert hat und er den Monolog unbedingt spielen möchte. Er hat dann sogar den kompletten Text gelernt, bevor überhaupt klar war, ob es je zur Aufführung kommt. Irgendwann hat er mir davon erzählt, und ich hab angeboten, den Monolog als LTO-Produktion zu inszenieren. Und ich fand es spannend, dass neben einem eher männlich besetzten Problem auch noch eine Frauenfigur zu Wort kommt. Und ich wusste, dass wir mit Mona Fischer eine Spielerin im Ensemble haben, die perfekt auf die Figur von Antigones Schwester Ismene passt.

ONETZ: Gibt es verbindende Elemente zwischen beiden Monologen?

Till Rickelt: Die Monologe sind atmosphärisch und im dramaturgischen Aufbau extrem verschieden, trotzdem gibt es inhaltlich auch viele Parallelen. Beide Texte handeln von Figuren, die im Schatten stehen, die in der kollektiven Überlieferung mit einem Makel belegt sind.

Jona Manow: Sie sind beide unzufrieden mit dem Bild, das die Menschen, die Geschichte von ihnen hat. Und stellen ihre Perspektive dar, erzählen ihre Geschichte aus ihrer eigenen Sicht. Sie fühlen sich ungerecht behandelt und unrichtig dargestellt. Dabei müssen sie sich ihrer Verantwortung noch mal stellen.

ONETZ: Warum sollte man sich das Stück ansehen?

Till Rickelt: Man erlebt zwei psychologisch dichte und sehr berührende Erzählungen, von zwei unglaublich spannenden Figuren, die sich beide von der Bürde ihres Schicksals zu lösen versuchen. Und zwei Stunden intensives Schauspiel mit zwei Schauspielern, die emotional wirklich an ihre Grenzen gehen, und teilweise auch darüber hinaus.

Jona Manow: Es geht um spannende Fragen. Außerdem ist es auch ein Abend über das Theater: Was es kann und wie es das macht. Das Format mit zwei unterschiedlichen Regisseuren an einem Abend ist interessant. Vor allem die Art der Inszenierung ist ganz unterschiedlich. Das direkt hintereinander zu sehen, ist spannend. (lacht)

ONETZ: Wie lautet die „Botschaft“ des Monologs an das Publikum?

Jona Manow: Den Begriff Botschaft mag ich eigentlich nicht so gerne. Aber wenn ich mir wünschen könnte, mit welchen Fragen das Publikum nach Hause geht, nachdenkt, diskutiert, dann über heroische oder ganz normale Lebensentwürfe. Über das Bild des Einzelnen in einer Gesellschaft. Wie entsteht das? Und darüber, wie sehr ich mich in oder zu bestimmten Situationen verhalten muss. Kann ich mich bei manchen Themen einfach herausnehmen? Habe ich auch Verantwortung, wenn ich nichts tue?

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Aufführungen am 6. und 8. April, Spitalkirche Nabburg; 16. und 23. Juni, Friedrichsburg Vohenstrauß (jeweils 20 Uhr)

Autorin Lot Vekemans :
  • Niederländische Dramatikerin und Theaterautorin
  • Vekemans Theaterstücke u.a. „Ismene, Schwester von“ (2005) und Judas (2007) in über 20 Ländern aufgeführt
  • Jona Manow beschreibt die Faszination ihrer Monologe so: „Lot Vekemans sucht sich Figuren, von denen wir ein bestimmtes, festes Bild oder Vorurteil haben und gibt ihnen eine Stimme. Nicht nur eine Stimme, einen ganzen Theaterabend. Der unser Bild von diesen Figuren tiefer und vielschichtiger macht. Das ist nicht nur literarisch eine tolle Idee, sondern auch eine großartige Haltung gegenüber vorschneller Vorverurteilung.“ (tos)
 
 

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