Uni Kassel besichtigt Barackendenkmal in Amberg: Gebäude als Teil der Architekturgeschichte erhaltenswert

Amberg
09.03.2023 - 17:24 Uhr
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Die Fakultät für Architekturtheorie und Entwerfen der Uni Kassel interessiert sich für das Barackendenkmal in Amberg, das laut Mehrheit im Stadtrat weg soll. Dozent Dr. Andreas Buss gibt seine Einschätzung zum Gebäude ab.

Eine Architektengruppe der Uni Kassel hat das Barackendenkmal in Amberg besucht. Dr. Andreas Buss meint, der Bau sollte erhalten werden.

Bereits im vergangenen Jahr hat der Amberger Stadtrat mehrheitlich beschlossen, dass die zweistöckige markant rote Baracke am Amberger Bergsteig abgerissen werden soll. Die städtische Tochter Stadtbau GmbH hatte um die Genehmigung gebeten, das seit 2000 unter Denkmalschutz stehende Gebäude abbrechen zu dürfen. Der Stadtrat hatte dem stattgegeben. Doch nun zeigt sich einmal mehr, dass es sich bei dem Bau in der Breslauer Straße 9, 11 und 13 nicht nur um eine Bausünde des vergangenen Jahrhunderts handelt, sondern dass auch die Wissenschaft großes Interesse an der Baracke und deren Erhalt zeigt.

Am Donnerstag besuchte Dr. Andreas Buss, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Architekturtheorie und Entwerfen zusammen mit einer Studierendengruppe die Amberger Baracke, um vor Ort Forschung betreiben zu können. Das Team um Buss ist verantwortlich für die Translozierung eines Barackenstalls aus Hemau (Landkreis Regensburg) in das Oberpfälzer Freilandmuseum in Neusath-Perschen (Landkreis Schwandorf). Zum Abschluss der Exkursionsreise besuchten die Studierenden die zweistöckige Amberger Baracke zu einer Besichtigung.

Vor Ort untersagte die Stadtbau der Redaktion der Amberger Zeitung, die Wissenschaftler bei ihren Arbeiten zu begleiten. Der Grund: Es handle sich um einen inoffiziellen Termin , das Thema sei heikel.

Architektonisch interessant

Im Gespräch mit Andreas Buss wurde schnell deutlich, warum sich in Sachen Baracke ein zweiter Blick lohnen könnte. "Dieser Bautypus Baracke interessiert uns am Fachgebiet für Architekturtheorie der Uni Kassel aus sehr verschiedenen Gründen", sagt Buss. Es handle sich um einen modernen Bautyp des 20. Jahrhunderts, der eigentlich militärisch konzipiert wurde, aber im Verlauf der Zeit sehr vielfältig genutzt wurde.

Die Amberger Baracke sei architektonisch auch deshalb interessant, weil die Barackenbauten im Dritten Reich so geplant wurden, dass sie von Laien ohne handwerkliche Vorkenntnisse auf und auch wieder abgebaut werden konnten. Ein bisschen wie ein Bausatz von Lego oder ein Schrank von Ikea. Gerade das macht die Amberger Baracke so selten. Buss: "Ein eingeschossiges Haus ist leicht handhabbar. Ich kenne verschiedene Typen von Notwohnhäusern, die in ausgebombten Städten errichtet wurden. Dabei handeltete es sich aber zumeist um einen eingeschossigen Bau."

Amberg ist zweigeschossig. "Es handelt sich hier nicht um einen improvisierten Bau. Alles ist sehr rational geplant, einfach gehalten und außen offenbar durch und durch aus Holz", sagt Buss. Das klingt erst einmal unspektakulär, aber genau das sei Teil des Problems. Buss: "Der Typus Baracke war lange Zeit unter dem Radar der Architekturgeschichtsschreibung."

Buss hat noch keine Forschung explizit zu dem unscheinbaren Barackenbau in Amberg gemacht, aber er scheint ein durchaus sehr seltenes Denkmal in Deutschland zu sein. "Vom Hörensagen habe ich mitbekommen, dass ein ähnliches Objekt noch irgendwo in Brandenburg zu stehen scheint. Ich selbst hatte aber bislang noch keines zu Gesicht bekommen."

Teil der Architekturgeschichte

Während in der Zeit des Zweiten Weltkriegs die normierten Reichsarbeitsdienstbaracken aus dem Boden schossen und auch heute noch gelegentlich zu sehen sind, sei die Amberger Baracke ein Bau in vermutlich sehr kleiner Serie gewesen.

Warum aber interessiert sich gerade die Uni Kassel für Baracken wie sie heute noch in Amberg zu finden sind? Buss: "Das ist natürlich ein schwieriges Thema. Aber es gehört in die Architekturgeschichtsschreibung hinein."

Möglich wäre es, dass die zweistöckige Baracke in Amberg ein Typus des Architekten Ernst Neufert ist. "Neufert ist bis heute sehr wichtig für die Normung der Architektur. Er ist heute immer noch ein Begriff im Architekturstudium und hat unter dem Rüstungsminister des Dritten Reichs, Albert Speer, die Normierung von Baracken betrieben" sagt Buss.

Was man von außen sehen kann, könnte auf einen solchen Bau hinweisen. Verständlicher Weise konnte der Wissenschaftler und Architekt noch vor dem Gebäude keine sicheren Aussagen treffen.

Buss plädiert dafür, die Amberger Baracke nicht einfach wegzuschieben. "Das sollte man vor Ort erhalten. Es legt Zeugnis über die Stadtgeschichte ab. Die Bauten im Dritten Reich waren entweder Repräsentationsbauten wie in Nürnberg. Oder aber Barackenbauten im niederschwelligen Bereich. Das war der größte Teil. Es ging darum, die Lücken zu füllen. Mit den Barackenbauten verbinden sich viele persönliche Geschichten."

Baracke erhaltenswert

Bereits vor der Besichtigung von innen vermutete Buss, dass die Bausubstanz der zweistöckigen Baracke nicht so übel sein könnte, wie bislang behauptet wurde. "Das Gebäude ist ja am Stück erhalten. Klar sind viele Reparaturen und Überarbeitungen nötig. Aber sicherlich wären verschiedene Nutzungen möglich", sagt er.

Nach der Besichtigung sagt Buss, dass das Gebäude heruntergekommen sei, weil es lange keine Nutzung mehr gab. Tauben hätten sich in der Baracke eingenistet.

Doch spricht seiner Meinung nach nichts dagegen, das Gebäude zu erhalten. "Es dürfte machbar sein, das Denkmal instand zu setzen. Es gibt keine groben Verfallserscheinungen."

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Amberg09.03.2023

Landesamt gibt Stellung ab

Auch der Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Mathias Pfeil, hat sich zu Wort gemeldet, um den Fall der Baracke einzuordnen. Demnach habe sich das Landesamt bisher für einen Erhalt des Baudenkmals ausgesprochen. Das Bayerische Denkmalschutzgesetz halte in bestimmten Fällen auch eine Versetzung des Baudenkmals als "ultima ratio" für vertretbar. Pfeil schreibt: "Voruntersuchungen zur Klärung der weiteren Vorgehensweise wurden seitens des Landesamtes angeregt, jedoch bisher nicht durchgeführt." Das Landesamt liefere für das "Erlaubnisverfahren notwendige denkmalfachliche Stellungnahmen". Weiter heißt es: " Die im Rahmen des Abwägungsprozesses vom Antragsteller zu fordernden Unterlagen liegen dem BLfD bislang nicht vor."

Info:

Warum ist die Uni Kassel in der Oberpfalz und in Amberg?

  • Projekt der Uni Kassel entdeckte Pferdestallbaracke in Hemau (Regensburg) auf altem Bauernhof.
  • Pferdestallbaracke stammt ursprünglich von Truppenübungsplatz Hohenfels.
  • Uni startet Projekt zur Dokumentation, Demontage und Wiederaufbau im Kontext eines Museums. Oberpfälzer Freilandmuseum wird Partner und bietet Platz für Translokation an.
  • Es handelt sich um Pferdestallbaracke der Wehrmacht. Typischer Bau für Konzentrationslager Auschwitz.
  • Freilandmuseum gibt Uni Kassel Tipp nach Amberg zu fahren.
  • Amberger zweigeschossige Baracke laut Kasseler Dozent sehr selten. Könnte von Architekt Ernst Neufert stammen.
 
 

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