Es ist das Jahr 1945. Kurz vor Kriegsende. Amberg muss mehrere Bombenangriffe über sich ergehen lassen. Noch im April 1945 greifen Tiefflieger den Bahnhof, das Krankenhaus, das Heereszeugamt, die Leopoldkaserne, den Flugplatz in Schafhof, die Luitpoldhütte, den Schlachthof, das Bayernwerk und die Bahnanlagen an. Im Archiv der Amberger Zeitung finden sich Berichte, in denen von etwa 200 Toten die Rede ist. Am 22. April 1945 war für die Bürger aber endlich Schluss mit fast sechsjähriger Kriegsangst, mit dem Zittern vor dem möglichen Tod des Ehemannes, Vaters oder Sohnes an der Front, Schluss mit gut zwölf Jahren NS-Terror. Amerikanische Truppe marschierten ein.
Aus einem weiteren AZ-Bericht geht hervor, dass Amberg im Jahr 1946 exakt 36 795 Einwohner zählte. 11 856 davon waren Flüchtlinge. Mit anderen Worten: Fast jeder Dritte war zunächst ohne festen Wohnsitz. Die Stadt Amberg musste reagieren und tat das auch: 39 Barackenlager entstanden. Die meisten davon am Bergsteig, direkt neben den Bahngleisen, wo sich viele der Neuankömmlinge aufhielten. Franz Koch, der für die Stadtbau bis zum Jahr 2012 am Bergsteig rund 500 Mietwohnungen verwaltete, sprach vor zwei Jahren in einem Interview mit der Amberger Zeitung davon, dass teilweise Menschen aus mehr als 60 Nationen auf dem Bergsteig eine Bleibe gefunden hatten - gebürtige Polen, Tschechen, Slowaken, Jugoslawen, Ungarn, Rumänen und unzählige Staatenlose, von denen viele in den Jahren danach keiner geregelten Arbeit nachgingen. So sei oft viel Ärger in der Luft gelegen. Daher habe der Stadtteil seinen schlechten Ruf, der teilweise bis in die 80er- und 90er-Jahre hielt.
Im Profikader des FC Bayern
Apropos 90er-Jahre: Sie sollten wesentlich dazu beitragen, dass der Stadtteil deutlich an positivem Image gewann. Das lag aber nicht am 1999 gestarteten bundesweiten Förderprojekt "Die soziale Stadt", das dem Viertel ein Stadtteilbüro und mit dem 2016 verstorben Josef Dudala auch einen Quartiersmanager bescherte. Schuld im positiven Sinn war ein junger Mann: Alexander Bugera, ein Kind des Bergsteigs und Fußballspieler. Er verfügte über so viel Talent, dass er es über den SV Inter Bergsteig und den FC Amberg als 18-Jähriger direkt zum FC Bayern München in den Profikader schaffte, für den er in der Saison 1997/98 sogar auf drei Einsätze in der Bundesliga kam.
Auf einmal entstand am Bergsteig ein neues Selbstbewusstsein. Einer aus dem Viertel hatte es auf die große Fußball-Bühne geschafft. In den Jahren danach veränderte der Stadtteil immer mehr sein Gesicht: Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden die Wohnblöcke an der Gerresheimer Straße saniert. Die Stadtbau hatte zuvor dem Bundesvermögensamt 445 teilweise verfallene Wohnungen abgekauft. Zudem kamen junge Leute an der Rosenthalstraße zusammen und trafen sich in einer der alten Baracken, um gemeinsam ihren Lieblingssport auszuüben - das Ringen. Sportlich ging es weiter: Im Juli 2001 bezog der SV Inter Bergsteig sein neues Quartier, die Pater-Karl-Küting-Sportanlage an der Ecke Königsberger Straße. Zur Einweihung kam der 1. FC Nürnberg.
In den Jahren danach wurde es aber ruhiger am Bergsteig. Wanda Szumlewski, die im Stadtteilbüro arbeitete und vor 68 Jahren als Hausgeburt im das Viertel so prägenden und mittlerweile abgerissenen Rundbau auf die Welt gekommen war, sagte der AZ damals in einem Interview, dass trotz der Euphorie, Teil eines Förderprojekts sein zu dürfen, im Quartier zunächst nicht sehr viel geschehen sei: "Gerade die Älteren von uns erinnern sich noch gut daran, dass die Vertreter von Stadt und Stadtbau zu schnell zu viel versprochen haben."
Viele Jahre gingen ins Land
Viele Jahre seien ins Land gegangen, bis die ersten Wohnungen neue Böden, moderne Fenster, Balkone und Heizungen erhalten haben. Erst im Jahr 2016 kam wieder Bewegung und Dynamik ins Quartier. Der Stadtrat genehmigte den Bebauungsplan Bergsteig Mitte. Damit einher ging der Abriss des Rundbaus (2016) und des Polizei-Baus (2018), die neben den Baracken die Optik des Stadtteils bestimmten. So aber entstand Platz für das, was jetzt kommt. Aus dem Bergsteig wird ein Vorzeige-Viertel.
Der Bebauungsplan sieht zwischen der Breslauer-, Rosenthal-, Lemberger- und der neuen Gropiusstraße insgesamt 23 Einzelhäuser, 12 Doppelhaushälften und 6 Geschosswohnungen vor. Im Juni 2020, als auch die neue Ringerhalle fertig war, erklärten die Stadt und die Stadtbau, die rund vier Millionen Euro in die Erschließung investierten, das Areal für baureif. Die ersten Häuslebauer konnten beginnen und taten das auch. Der Bergsteig befand sich damit endgültig auf dem Weg zum Vorzeige-Stadtteil.
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