Es muss an Allerheiligen zwischen 12 und 15 Uhr passiert sein. Die Tochter von Eddy Breiter aus Amberg hatte ihren anthrazitfarbenen Audi A1 am Parkplatz des Dreifaltigkeitsfriedhofs abgestellt, um einen Freund zu besuchen. Als sie zurückkam, um nach Hause zu fahren, war die Fahrertür dick eingedellt. Kein Zettel, kein Hinweis darauf, wer das gewesen sein könnte. "Es ist nicht nur eine Schramme", sagt Vater Breiter, auf den das Auto zugelassen ist. "Das ist richtig tief und verdammt ärgerlich. So etwas muss ich doch mitkriegen, wenn ich beim Ein- oder Ausparken jemanden so erwische."
Verdammt ärgerlich ist eben auch, dass sich bis heute nicht der Verursacher des Schadens bei der Amberger Polizei gemeldet hat. Der Audi ist sechs Jahre alt, hat keine Vollkasko-Versicherung mehr. "Auf dem Schaden bleiben wir jetzt selber sitzen", sagt Breiter. Die Polizei schätzt, dass es etwa 1000 Euro sind. Genaueres wird erst ein Kostenvoranschlag bringen, der diese Woche eingeholt werden soll. Die 23-jährige Tochter muss das selbst übernehmen. "Außer es meldet sich vielleicht doch noch jemand", hofft Breiter.
2019 waren es 463 Unfallfluchten
So wie den Breiters geht es im Schnitt 464 Fahrzeughaltern im Jahr. Diese Zahl stammt aus dem Bereich der Polizeiinspektion Amberg. 2019 seien es exakt 463 gemeldete Unfallfluchten gewesen. Das macht 1,3 Unfallfluchten am Tag. Nur rund 37 Prozent könnten aufgeklärt werden.
"Im Prinzip kann es jeden erwischen", stellt Polizeisprecher Achim Kuchenbecker fest. "Zu Fuß, auf dem Rad, im Auto. Sobald man unterwegs ist, kann man etwas beschädigen." Grundsätzlich sei das kein Problem. Wenn man es meldet. "Eine Unfallflucht ist kein Kavaliersdelikt."
Zack, da ist es passiert. Die Autotür schlägt beim Aussteigen am Nebenwagen an. Eine kleine Schramme im Lack ist sichtbar. "Vielleicht hat das Auto nebenan eh schon einige Macken", sagt Kuchenbecker. "Und am Parkplatz herrscht viel Trubel: Das verleitet manch einen, möglicherweise zu denken: Das hat sicher keiner gesehen." Der Parkplatz am Kaufland sei da so ein Punkt, wo die Polizei immer wieder gerufen werde. "Dort ist es unübersichtlich und man kann sich schnell der Verantwortung entziehen."
Empfindliche Strafen
Wer Unfallflucht begehe, riskiere eine empfindliche Strafe zu kassieren, sagt Ambergs Inspektionsleiter Thomas Lachner. Hohe Geldbußen bis hin zum Führerscheinverlust können die Folge sein, wenn man eben doch beobachtet wurde und dann erwischt wird.
So ist das erst kürzlich in Sulzbach-Rosenberg passiert: Der Fahrer eines Kleintransporters ist beim Rangieren mit seinem Fahrzeug gegen ein Garagentor gestoßen. Eine Zeugin sah das, notierte sich das Kennzeichen und informierte danach die Polizei. Der Besitzer des Garagentors dürfte sich freuen, denn er bleibt nicht auf dem Schaden sitzen.
Lachner betont, dass das Verhalten wie das der Zeugin vorbildlich sei. "Das ist kein Verpetzen, sondern Zivilcourage." Denn 464 Fahrzeughalter in einem Jahr würden einen Fehler auf Kosten anderer begehen. Würde man von einem durchschnittlichen Schaden von 1000 Euro ausgehen, seien das 464.000 Euro.
Gründe, warum sich jemand der Verantwortung entzieht, kennt die Polizei. "Es kann die Angst vor Strafe sein, Unannehmlichkeiten, die man scheut, weil die Versicherung hochgestuft wird, oder auch, weil ich Alkohol und Drogen konsumiert habe", zählt Lachner nur einige auf.
Leichter, eine Unfallflucht aufzudecken oder zu lösen, ist es für die Polizei, wenn sich die Geschädigten möglichst schnell melden. Und genau eingrenzen können, wann der Unfall passiert sein könnte. "Jemand, der Wochen später eine Schramme entdeckt, und dann nur vage andeutet, dass es irgendwo in Amberg passiert sein könnte, hat kaum Chance, dass der Fall aufgeklärt wird", erklärt Polizeisprecher Kuchenbecker. Je mehr Informationen man hat, umso wahrscheinlicher kann ein Hinweis sein.
Es muss aber auch nicht. Denn die Breiters können bis auf drei Stunden genau, den Tatzeitpunkt am Friedhofsparplatz eingrenzen. "Es sind ja nur zehn Stellplätze dort", sagt Eddy Breiter. Außerdem müssten doch an diesem Feiertag viele Familien die Gräber ihrer Angehörigen besucht haben.
Fremdlack und Fahrzeugtyp
Mit etwas Glück kommt die Polizei einem Verursacher aber dann auf die Schliche, wenn ein deutliches Spurenbild zurückbleibt. "Wenn etwa farbiger Fremdlack auf einem weißen geschädigten Auto zu sehen ist", sagt Kuchenbecker. Wenn dann auch noch der Lack sehr individuell sei und sich gut einem Fahrzeugtyp zuordnen lasse könne. Oder ein Zeuge wenigstens einen Hinweis auf einen Teil des Kennzeichens geben könne.
Noch an Allerheiligen gingen die Breiters zur Polizei, wo der Schaden genau dokumentiert wurde mit Fotos, Maßen und der Suche nach Lackpartikeln. Wer weiß, sagt Lachner. Manchmal begegne eine Streife auch einem Wagen, der sehr verbeult und verschrammt aussehe. "Dann sehen sich die Beamten das Auto genauer an und vergleichen Lackspuren mit bekannten Fällen von Unfallfluchten."
So reagiere ich richtig, wenn ich einen Schaden an einem fremden Auto oder sonstigen Fahrzeug hinterlassen habe.
- Zunächst muss man eine angemessene Zeit auf den Besitzer warten.
- Ist es nicht möglich, mit dem Besitzer Kontakt aufzunehmen, muss die Polizei kontaktiert werden. Etwa unter Telefon 110.
- Es reicht nicht, nur einen Zettel mit den Kontaktdaten zu hinterlassen. Ein Windstoß könnte ihn davon wehen.
- Schon ein Bagatellschaden kann als Unfallflucht gewertet werden. Die Strafen können empfindlich ausfallen.
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