Angefressene Apotheker schlagen Alarm und treten in den Streik

Amberg
08.06.2023 - 21:26 Uhr
OnetzPlus

Am kommenden Mittwoch bleiben die allermeisten Apotheken in der Oberpfalz geschlossen. "Kein Ausgleich, mehr Arbeit, komische Gesetze": So beschreibt eine Amberger Apothekerin ihren Arbeitsalltag und ist deshalb beim Protesttag mit dabei.

Eigentlich steht Heike Übler Tag für Tag hinter der Theke in einer ihrer beiden Apotheken. Sie betreibt in Amberg die Rosen-Apotheke, die es in der Fleurystraße und im Kaufland gibt. Doch am kommenden Mittwoch wird sie auf der Straße stehen und Flyer verteilen. Heike Übler will streiken und auf die Probleme der Apotheker aufmerksam machen.

Seit 1998 ist sie Apothekerin. "Immer mehr gesetzliche Vorgaben und Bürokratie" seien in den knapp 25 Jahren hinzugekommen. Sie fordert deswegen unter anderem einen Bürokratieabbau. "Wir beschäftigen teilweise bis zu zwei Personen dafür, bürokratische Aufgaben zu verrichten. Wir verplempern wichtige Ressourcen", sagt sie. Sie fasst ihren Arbeitsalltag folgendermaßen zusammen: "Kein Ausgleich, mehr Arbeit, komische Gesetze."

Die 48-Jährige ist zudem Sprecherin für den bayerischen Apothekerverband im Bereich Amberg. Sie schätzt, dass bis zu 98 Prozent der Apothekerinnen und Apotheker bundesweit und auch im Amberg-Sulzbacher Raum an dem Protest teilnehmen werden. Diese Prognose stützen die Aussagen ihrer Pressesprecher-Kollegen aus Tirschenreuth und Weiden. "Der Protest wird flächendeckend sein", sagt Christian Züllich von der Stadt-Apotheke in Tirschenreuth. Andreas Biebl von der Mohren-Apotheke in Weiden erklärt: "Alle Apotheken werden teilnehmen, bis auf die Apotheken, die Notdienst haben."

"Protesttag provoziert"

Am 14. Juni werden also die allermeisten Apotheken in ganz Deutschland und in der Oberpfalz geschlossen bleiben. Die Apotheken erklären den Mittwoch offiziell zum bundesweiten Protesttag. Die Arzneimittelversorgung bleibe zwar aufrechterhalten – allerdings nur über die Notdienstapotheken, erklärt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). "Für unseren Berufsstand steht fest: Die Bundesregierung hat diesen Protesttag provoziert", erklärt die Präsidentin der ABDA, Gabriele Regina Overwiening.

"Lieferengpässe, Personalnot und eine seit Jahren bestehende Unterfinanzierung. Weil die Bundesregierung in ihren Gesetzesvorhaben immer wieder die Probleme der öffentlichen Apotheken übergeht, destabilisiert sie die Arzneimittelversorgung in Deutschland", heißt es weiter. Die Apothekenteams würden jeden Tag Leben retten, in dem sie alternative Präparate für nicht verfügbare Arzneimittel beschaffen. "Anstatt die flächendeckende Versorgung mit Arzneimitteln über die Apotheken vor Ort zu stabilisieren, wird sie geschwächt. Jeden Tag müssen Apotheken schließen."

Die Zahl der Apotheken ist in Deutschland wie auch in Bayern tatsächlich rückläufig. Seit dem Höchststand 2009 gibt es heute laut Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums circa 300 Apotheken weniger in Bayern. Gerade im ländlichen Raum würde diese Tendenz zu einer steigenden Arbeitsbelastung für die verbleibenden Apotheken führen und zu längeren Wegen bis zur nächsten Apotheke für die Patientinnen und Patienten.

Versorgung für 4600 Menschen

In Bayern stellen derzeit rund 2900 öffentliche Apotheken, von denen circa 25 Prozent als Filiale geführt werden, die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sicher. "Eine Apotheke in Bayern versorgt im Durchschnitt mehr als 4600 Einwohnerinnen und Einwohner", gibt das Ministerium an.

"Trotz steigender Kosten und der Inflationsentwicklung haben die Apotheken in den vergangenen zehn Jahren keine Honoraranpassung erhalten. So kann es nicht weitergehen", warnt Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV). Das Honorar der meisten Apotheken wird wesentlich durch die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt. Für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erhält die Apotheke einen pauschalen Festzuschlag, wobei sie den gesetzlichen Krankenkassen einen Rabatt (Kassenabschlag) gewähren muss. Dieser Rabatt sei laut dem Weidener Apotheker Andreas Biebl aber erst kürzlich von 1,77 Euro auf 2 Euro erhöht worden. Heißt konkret: "Wir müssen 23 Cent pro Packung mehr abgeben."

"An jedem Rezept zahlt man drauf", fasst Heike Übler aus Amberg ihre aktuelle Situation zusammen. Eigentlich halte schon lange nur noch die Laufkundschaft, die rezeptfreie Produkte will, die Apotheken am Leben. Diese verkauft Heike Übler den Kunden auch Tag für Tag, wenn sie hinter der Theke steht. Doch am 14. Juni wechselt sie ihren Arbeitsplatz – gegen den Proteststand auf der Straße.

Hintergrund:

Diese Apotheken haben am 14. Juni Notdienst

  • Weiden: Anker-Apotheke
  • Floß: Brunnen-Apotheke
  • Vohenstrauß: Burg-Apotheke
  • Pfreimd: Altstadt-Apotheke
  • Kemnath: Stadt-Apotheke
  • Mitterteich: Neue-Apotheke
  • Amberg: Rosen-Apotheke (im Kaufland)
  • Sulzbach-Rosenberg: Krötensee-Apotheke
  • Neunburg v. Wald: Neue Apotheke mit Neuem Sanitätshaus
  • Schwandorf: Linden-Apotheke
  • Kastl: Burg-Apotheke

Quelle: ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (aponet.de)

 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Erich Wein

Zu den sieben biblischen Plagen kommt in Deutschland die Plage der Bürokratie dazu. Sie frisst sich wie ein Geschwür durch unseren Alltag. Und die Bürokraten feiern fröhliche Urständ'. Beispielhaft seien hier die Unmengen an "Schützern" genannt: der allumfassende, wohl außer Kontrolle geratene Datenschutz, der Denkmalschutz (Willkür?), exzessiver Tierschutz (z. B. wird Deutschland wolfsgerecht eingezäunt, vor jeder "Entnahme" werden x Gutachten gefordert) etc. Bürokraten scheinen auch in der Politik fest verankert zu sein.

08.06.2023