Bei Hans-Martin Schertl klingelte der Wecker in der Nacht auf Mittwoch schon um 4 Uhr. In aller Herrgottsfrühe stand der Vilsecker Bürgermeister auf, um den Verlauf der US-Wahl live mitverfolgen zu können. Bei Edgar Knobloch, Bürgermeister von Grafenwöhr, sah es nicht viel anders aus, sein Fernsehen lief die halbe Nacht durch, sagte er am Mittwochnachmittag am Telefon. "Ich bin spät ins Bett gegangen und früh aufgestanden." Natürlich auch wegen der US-Präsidentschaftswahl, die Auswirkungen auf die Städte von Schertl und Knobloch, Vilseck und Grafenwöhr, haben könnte. Stichwort Truppenabzug.
Was sie dann den ganzen Mittwoch lang sehen, überrascht beide. "Mich verwundert, dass die amerikanischen Umfrageinstitute und Medien so schlecht prognostizieren können, dass die nicht wissen, wie ihr Land tickt", sagt Knobloch. Auch am späten Abend war der Ausgang der Wahl noch völlig offen. Sowohl Amtsinhaber Donald Trump als auch Herausforderer Joe Biden hatten gute Chancen auf den Sieg. Die Umfragen hatten den Demokraten Biden klar vorne gesehen.
Ein bisserl Verständnis für Trump
Edgar Knobloch zeigt sich am Nachmittag zurückhaltend. Einen persönlichen Favoriten, sagt er, hat er nicht - zumindest nicht öffentlich. "Ich finde, das ist die Sache der Amerikaner." Aber klar, mit Biden würde sich der Ton ändern. Aber ob dann auch alles besser wird? Ob der Truppenabzug dann verhindert werden kann?
"Ich mach das nicht von der Präsidentschaft abhängig, sondern generell von der Politik", meint CSU-Politiker Knobloch. "Ich hoffe, dass bald wieder Gespräche stattfinden zwischen der Bundesregierung und den Amerikanern." Damit Trumps Pläne doch irgendwie noch verhindert werden können. Die USA hatten im Sommer angekündigt, rund 12 000 Soldaten aus Deutschland abzuziehen - allein 4500 aus Vilseck und 1000 aus Grafenwöhr.
Selbst wenn Trump wiedergewählt wird, muss der Truppenabzug aus der Oberpfalz nicht in Stein gemeißelt sein, glaubt Knobloch. Man müsse ihm halt auch entgegen kommen. Trumps zwei, drei Kritikpunkte seien ja Tatsachen. "Wir haben uns jahrelang auf Kosten der Amerikaner ausgeruht", sagt Knobloch. Zu geringe Verteidigungskosten, dazu die Ostseepipline Nord-Stream 2 mit Russland.
Egal wer's nun wird, Knobloch würde beide gerne auf den Truppenübungsplatz nach Grafenwöhr einladen, auch Trump. "Wenn er sich den anschaut, dann überdenkt er seine Meinung vielleicht."
Vilseck hofft auf Neustart
Im Vilsecker Rathaus ist die Stimmung ähnlich. Bürgermeister Hans-Martin Schertl ist überrascht von der engen Kiste und natürlich gespannt, wie die Wahl ausgeht. Er lehnt sich ein bisschen weiter aus dem Fenster - wenn auch vorsichtig. "Ich bin für Biden", sagt Schertl, dessen Stadt besonders hart vom Truppenabzug betroffen wäre. "Damit ist die Hoffnung auf einen Neubeginn der deutsch-amerikanischen Beziehungen verbunden."
Andererseits ist Trump eben Trump. "Nicht alle seine Ankündigungen sind bisher auch vollzogen worden", sagt Schertl. Vielleicht gilt das auch bald für den geplanten Abzug? "Das ist ja auch ein riesiger finanzieller Kraftakt." Schertl spricht von Kosten in Höhe von acht bis zehn Milliarden Euro.
Also, egal wer Präsident wird - Schertl hofft auf einen Neuanfang. Auch von deutscher Seite. "Man muss auch die Bundespolitiker kritisieren, Deutschland hat seine Versprechen nicht gehalten." Und jetzt müsse seine Stadt mit den Konsequenzen leben. "Vilseck ist zum Spielball der großen, internationalen Politik geworden", sagt Schertl. "Wenn die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf der obersten Ebene so wären wie hier bei uns zwischen den Bürgermeistern von Vilseck und Grafenwöhr und den amerikanischen Führungskräften, den Generals und Colonels, dann wäre das optimal."
Uli Grötsch warnt
Ein Sprung auf die Bundesebene. Uli Grötsch, Weidener SPD-Bundestagsabgeordneter, ist bekannt für eine klare Meinung und hat auch diesmal eine. "Ich hoffe sehr, dass Joe Biden neuer Präsident wird", sagt er. "Weil sonst stehen unserem Planeten sehr, sehr schwere Jahre bevor." Und das würde die Notwendigkeit mitbringen, dass "wir, Deutschland und die EU, uns stärker von den USA emanzipieren müssen". Alles habe seine Grenzen. "All das, was Trump in den letzten Stunden von sich gegeben hat, zeigt ja, wie sehr er alle demokratischen Strukturen zutiefst verachtet."
Grötschs Bundestagskollege Albert Rupprecht wünscht sich ebenfalls Joe Biden als neuen US-Präsidenten. "Nicht, weil ich glaube, dass sich mit ihm alle Probleme in Luft auflösen." Der CSU-Politiker traut Biden eher zu, das Land zusammen- und wieder auf die Basis der westlichen Werte zurückzuführen. Gerade in dieser Zeit wäre letzteres besonders wichtig. In der Weltpolitik stünden Fragen von "existenzieller Bedeutung an".
Parteifreund und Europaabgeordneter Christian Doleschal aus Brand (Kreis Tirschenreuth) sieht es ähnlich. "Biden wäre eine gute Lösung, um wieder auf eine vernünftige Gesprächsebene zu kommen."
Und was sagt die US-Armee in der Oberpfalz zum Wahlkrimi? Nichts. Das amerikanische Militär ist zur Neutralität verpflichtet. Franz Zeilmann, Sprecher der US-Armee-Garnison Bavaria, darf über die Stimmung auf den Truppenübungsplätzen nichts sagen.
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