Berufsfachschule für Musik: Optimismus gibt den Takt vor

Sulzbach-Rosenberg
17.03.2021 - 10:44 Uhr
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Wie wirken sich die durchwachsenen Perspektiven auf Musiker/-innen aus, die auf der Schwelle zur professionellen Karriere stehen? Oberpfalz-Medien hat bei Dominik Lehmeier, dem Leiter der Berufsfachschule für Musik (BFSM), nachgefragt:

Dominik Lehmeier, Direktor der Berufsfachschule für Musik des Bezirks Oberpfalz

Von Anke Schäfer

ONETZ: Herr Lehmeier, Ihr erstes Halbjahr als Schulleiter liegt hinter Ihnen. Hat die zweite Pandemie-Welle große Löcher in Ihre Pläne gerissen?

Dominik Lehmeier: Von großen Löchern würde ich nicht sprechen. Natürlich bleibt die gegenwärtige Situation unangenehm, aber wir konnten viel lernen und haben unsere Konzepte kontinuierlich und nachhaltig angepasst. Theorieunterricht in Distanzmodus funktioniert eigentlich relativ gut. Wir haben im Vergleich zu allgemeinbildenden Schulen natürlich den Vorteil, dass sich unsere Schüler im Erwachsenenalter befinden und sich mit digitalen Medien sehr gut auskennen. Der praktische Unterricht ist nach wie vor aufgrund der allgemeinen technischen Defizite des Internets - Stichwort Latenz - und natürlich der zwingend notwendigen Präsenz im Hinblick auf Musizierpraxis nicht zufriedenstellend.

ONETZ: Wie gelingt es Ihnen, den Schülern trotz fehlender Gemeinschaft und ausgefallenen Auftrittsmöglichkeiten die Freude an der musikalischen Ausbildung zu erhalten?

Dominik Lehmeier: Wir brauchen uns eigentlich gar nicht um die Motivation zu kümmern, die Materie selbst ist Motivation und Antrieb genug. Musik lebt von dem, was wir Menschen sind und was uns widerfährt, das spiegelt sie wider und diese Erlebnisse werden ein Teil von ihr. Gerade das macht ihre Natur aus und füllt sie mit Sinn und Inhalt. Jetzt ist also nicht die Zeit, um den Kopf hängen zu lassen, sondern die Zeit, um aktiv zu gestalten und mit gegebenen Reserven und Umständen zu haushalten. Wir befinden uns nicht in einem unendlichen Zustand. Diese Pandemie wird zu Ende gehen, dann schütteln wir uns kurz und betreten erneut die Bühnen. Darauf freue ich mich schon sehr.

ONETZ: Und wie sieht es bei den Dozenten aus, die ja auch nicht so arbeiten können und dürfen, wie sie es gerne täten?

Dominik Lehmeier: Die Dozenten probieren sich gerade sehr viel aus. Das betrifft vor allem den didaktischen Bereich, da Konzepte, welche für den Präsenzunterricht erarbeitet worden sind, nun neu organisiert werden müssen, um in Distanzform abgehalten werden zu können. Im Tonsatz muss zum Beispiel ein Ersatzmedium für eine Schultafel gefunden werden, in Gehörbildung muss der Sound des Klaviers nun irgendwie über das Internet zum Schüler gelangen und so weiter. Dieser Umstand wird aber nicht als Bürde wahrgenommen, sondern als Chance. In der Lehrerschaft beobachte ich ein hohes Maß an Neugier, wie man die digitalen Errungenschaften nutzen kann.

ONETZ: Sind Sie dafür gerüstet?

Dominik Lehmeier: Technische Nachrüstungen sind gerade beliebt. Wir achten sehr darauf, dass das Ganze jedoch nicht in blinden Aktionismus endet, sondern vor allem nachhaltig genutzt werden kann. Gute Mikrofone finden im Alltag eines Musikers vielseitige Verwendung, nicht nur in Online-Konferenzen. Aufnahmesoftware wird benötigt, um sich beim Üben besser orientieren zu können oder Bewerbungsmaterial anzufertigen. Es ist gar nicht so einfach, bei dem riesigen digitalen und medialen Angebot auszusortieren, was brauchbar und nachhaltig ist und wovon man lieber die Finger lässt. Wir bilden für einen sich ständig verändernden Markt aus. Dieser sich stetig verändernde Markt ist unser Arbeitsumfeld und diese Arbeitsweise ist es, welche wir an unsere Schüler weitergeben. Sich neu erfinden ist ein zentraler Aspekt unseres Jobs und somit auch ein zentraler Aspekt unserer Ausbildung. Ich finde das ganz wundervoll, denn von einem tristen Alltag, in dem sich alles wie in einem Hamsterrad wiederholt, sind wir maximal weit entfernt.

ONETZ: Stellen Sie über die vergangenen Monate eine gewisse Desillusionierung fest, was die Berufsaussichten nach Abschluss der Zeit an der BFSM betrifft?

Dominik Lehmeier: Das war im Hinblick auf eine länger andauernde Pandemie tatsächlich auch mein erster Gedanke. Zu meiner Überraschung ist fast das Gegenteil der Fall. Unser Online-Informationstag hat gezeigt, dass das Interesse an unserem Beruf eher steigt. Das hat mit Aspekten zu tun, die gar nicht direkt mit der Pandemie zu tun haben, sondern mit einer sich ändernden Berufswelt. Man braucht sich nichts vorzumachen, die Zeiten, in denen man als Elektriker 45 Jahre in einem Betrieb gearbeitet hat und dann in die Rente geht, sind vorbei. Die junge Generation erwartet und wünscht das auch gar nicht mehr. Man hat verstanden, dass man sich mehrgleisig auf dem Arbeitsmarkt positionieren muss und da liegt die Stärke unserer Institution. Eine Desillusionierung kann ich nicht feststellen, das ist eher eine Ungeduld, wann wir endlich wieder zu 100 Prozent loslegen können.

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Weiden in der Oberpfalz04.03.2021

ONETZ: Welche Bandbreite an Möglichkeiten bieten Sie Ihren Schülern an?

Dominik Lehmeier: Bei uns kann man sich innerhalb von nur zwei Jahren nicht nur auf höchst künstlerischem Niveau zum Berufsmusiker ausbilden lassen. Man macht auch die ersten Schritte zum Pädagogen. Ob nun als Instrumentenbauer, Veranstaltungstechniker, Tontechniker, Musikalienhändler oder als verbeamtete Fachlehrer, Schul- oder Kirchenmusiker, unser staatlicher Abschluss ist bei Arbeitgebern allseits sehr beliebt und gerne gesehen. Das gilt ebenso in Berufsfeldern von Erziehern oder im sozialen Bereich. Unsere Absolventen positionieren sich mit unserer berufsbezogenen Ausbildung hervorragend auf dem Arbeitsmarkt.

ONETZ: Befürchten Sie, dass der kulturelle Kahlschlag auch zu rückläufigen Anmeldungen für das kommende Schuljahr führen wird?

Dominik Lehmeier: Ich denke nicht. Die Anmeldungen treffen schon jetzt bei uns ein und die Nachfrage ist groß, genauso wie in den Jahren zuvor auch.

ONETZ: Wie groß ist die Herausforderung gerade jetzt in der Informations- und Anmeldungsphase, neuen Interessenten die herzliche, freundliche Schulatmosphäre über nüchterne Online-Kanäle zu vermitteln?

Dominik Lehmeier: Wir haben am Online-Informationstag ein Podium mit Schülern abgehalten. Das war für mich spannend. Diese haben zuerst ihren Schulalltag beschrieben und danach Fragen der Interessenten beantwortet. Für die Generation Z ist diese Art der Kommunikation schon normal, ich konnte überhaupt keine Berührungsängste oder distanziertes Verhalten feststellen. Was ich natürlich noch dazu sagen muss ist, dass ich über unsere Schulgemeinschaft sehr glücklich bin. Wir sind wirklich unerschütterlich und egal über welchen Kanal die Kommunikation auch immer ablaufen würde, unsere angenehme Atmosphäre im Haus überträgt sich eigentlich von alleine.

ONETZ: Warum lohnt es sich Ihrer Erfahrung nach auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten die Leidenschaft für Musik zum Beruf zu machen?

Dominik Lehmeier: Ich gehe abends gerne zu Bett und stehe morgens mit Tatendrang auf. Ich kenne Zeiten in meinem Leben, bevor ich mich für diesen Beruf entschieden habe, da war dem nicht so. Meine Tätigkeit gibt mir sehr viel, ich schöpfe aus ihr Inspiration und Kraft. Das hilft und half mir durch jede schwierige Zeit in meinem Leben. Meinen Kollegen geht es ebenso. Das ist doch der Sinn im Leben, nach dem jeder sucht. Der Beruf vereint Kreativität, flexible Arbeitszeiten und Selbstmanagement. Ich kenne kein anderes Berufsfeld, in dem Selbstverwirklichung in dem Maß möglich ist. Natürlich erschweren die Umstände gerade die Arbeit, aber das ist derzeit in jedem Beruf so.

Hintergrund:

Zur Person: Dominik Lehmeier

  • Geboren 1985
  • Aufgewachsen in Postbauer-Heng
  • Ausbildung am Music College Regensburg zum staatlich geprüften Leiter für Jazz und Popularmusik
  • Studium Jazz-Bass an der Hochschule für Musik Nürnberg mit Abschluss Diplom-Musiker und Diplom-Pädagoge
  • Mitbegründer der Musik Akademie Freystadt
  • Kontrabass-Dozent am Willstätter Gymnasium Nürnberg
  • Chorleiter
  • Leitung der Sing- und Musikschule Zusmarshausen-Horgau
  • Gefrager Live- und Studiomusiker
 
 

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