ONETZ: Sie und der Verein für Landschaftspflege, Artenschutz und Biodiversität gelten als Deutschlands schärfste Windkraft-Kritiker. Wie beurteilten Sie die aktuelle Situation beim Windkraftausbau?
Johannes Bradtka: Sehr schwierig. Die Bundesregierung hat den Windkraftausbau in den vergangenen Monaten regelrecht entfesselt. Wenn ich mir die Folgen in vier, fünf oder sechs Jahren vorstelle, muss ich sagen, dass wir unsere Landschaften nicht wiedererkennen werden.
ONETZ: Was meinen Sie mit "entfesselt"?
Johannes Bradtka: Das Windkraft-an-Land-Gesetz erlaubt Windräder fast überall, auch in Landschaftsschutzgebieten. Vor zehn Jahren musste vor dem Bau das Vorkommen von über 300 Tierarten geprüft werden, heute sind 15 gefährdete Vogelarten übrig geblieben. Eine neue EU-Notverordnung hat wegen der angeblichen Energieknappheit sämtliche Prüfvorgaben für Windkraftanlagen ausgesetzt. Und bei der jüngsten Koalitionssitzung der Ampelparteien wurden Gemeinden von den Vorgaben der Regionalplanung entbunden. Sie dürfen Windgebiete ausweisen, auch wenn dies die Regionalplanung nicht vorsieht.
ONETZ: Wie wird sich dies Ihrer Meinung nach auswirken?
Johannes Bradtka: Wir werden das Gegenteil von dem bekommen, was uns versprochen wurde: Es wird einen Wildwuchs geben, eine Verspargelung der Landschaft gerade hier in der Oberpfalz und gerade an den schönsten Flecken. Ich befürchte, dass der gesamte Grenzkamm, das sogenannte Grüne Band, verbaut wird und viele Vogel- und Fledermausarten in der Oberpfalz aussterben werden.
ONETZ: Wieso gerade in der Oberpfalz?
Johannes Bradtka : Weil die Gemeinden hier auf Teufel komm raus Windvorrangflächen melden. Meines Wissens hat bislang nur Waldsassen dem Planungsverband mitgeteilt, dass es keine Flächen für die Windkraft zu bieten hat. Wenn man nach Oberbayern blickt, kommt das dort sehr häufig vor. Die Gemeinden geben an, dass sie nach Abwägung aller Belange keine geeigneten Flächen bieten können.
ONETZ: Jedes Bundesland muss mindestens 2 Prozent seiner Fläche als Windkraftvorrangfläche ausweisen. Es wäre also möglich, dass der Süden Bayerns weniger und die Oberpfalz deutlich mehr ausweist?
Johannes Bradtka: Ja, und ich denke, dass das vielen Planern auch so vorschwebt. Die Oberpfalz ist ländlich und dünn besiedelt. "Die können auch vier oder fünf Prozent Windkraftfläche vertragen." So denken viele.
ONETZ: Viele Gemeinden sehen ein solches Szenario als Chance, auch für Bürger. Die sollen ihr Geld in Bürgerwindparks investieren und von der Rendite profitieren.
Johannes Bradtka: Das ist ein billiges Lockargument. Ein modernes Windrad kostet im Schnitt 8,7 Millionen Euro. Bei einem kleinen Windpark ist man mit Erschließung schnell bei 50 Millionen Euro. Wie viel können Bürger vor Ort beisteuern? Einen Bruchteil. Der Hauptteil kommt von großen Investoren, auch aus dem Ausland. Und auch aus Sicht der Gemeinden wäre ich vorsichtig: Wenn man mit Bürgermeistern spricht, auf deren Gemeindegebiet schon länger Windräder stehen, hört man oft Enttäuschung.
ONETZ: Wer profitiert dann von neuen Windrädern?
Johannes Bradtka : Vor allem die Planer und die Grundstückseigentümer. Für ein Windrad gibt es mehr als 50 000 Euro Pacht pro Jahr. Ich kann verstehen, dass man da schwach wird.
ONETZ: Sie und Ihr Verein standen den Grünen immer schon skeptisch gegenüber. Heute gibt es außer der AfD gar keine Partei mehr, die windkraftkritisch argumentiert. Was bedeutet das für Sie?
Johannes Bradtka: Der VLAB ist eine überparteiliche Naturschutzvereinigung. Unsere ehrenamtliche Arbeit dient allein dem Natur- und Artenschutz. Eine Kumpanei mit Parteien lehnen wir ab.
ONETZ: Eines Ihrer Argumente gegen die Windkraft ist deren fehlende Grundlastfähigkeit. Inzwischen gibt es Ansätze, das Problem durch die Erzeugung von grünem Wasserstoff als Energiespeicher zu lösen. Was halten Sie davon?
Johannes Bradtka: Grüner Wasserstoff ist eine gute Sache, nur leider wird er in der Oberpfalz eine Spielerei bleiben. Um ein Kilo Wasserstoff zu erzeugen, benötigt man mindestens 9 Liter Wasser. Schon jetzt wird im Sommer das Wasser knapp. Sollen wir wirklich zusätzlich wertvolles Grund- und Trinkwasser für die Wasserstoff-Produktion nutzen?
ONETZ: Wie soll die Energieversorgung der Zukunft dann aussehen?
Johannes Bradtka: Der Klimawandel ist real, eine Energiewende notwendig. Allerdings muss diese gut überlegt und geplant sein. Wir brauchen einen klugen Energiemix, in dem dann auch die bisher rund 30 000 Windkraftanlagen einen kleinen Teil dazu beitragen können. Mehr Windräder verträgt unser Land nicht. Wichtig werden aber andere Energiequellen sein, zum Beispiel grüner Wasserstoff, wenn er etwa in den Maghreb-Staaten erzeugt wird, wo es genug Sonne und Meerwasser gibt.
Johannes Bradtka und der VLAB
- Johannes Bradtka (65) ist studierter Forstwirt.
- Bis zur Pensionierung war er bei den Bayerischen Staatsforsten beschäftigt. Außerdem ist er als Lehrbeauftragter an der Hochschule in Weihenstephan tätig und hat mehrere wissenschaftliche Beiträge veröffentlicht.
- Seit der Gründung 2015 ist Bradtka Vorsitzender des VLAB, dem einzigen Verein mit Sitz in der Oberpfalz, dem das Umweltbundesamt als Umwelt- und Naturschutzverein anerkannt hat.
- Der Verein ging hervor aus dem Verein "Unser Hessenreuther Wald", der den erfolgreichen Widerstand gegen eine Autoteststrecke im Hessenreuther Wald organisiert hatte.
- Ziel des VLAB ist es, die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes auch gegen Belange des Klimaschutzes zu wahren.
- In der vergangenen Jahren hat es der VLAB immer wieder mit erfolgreichen Klagen gegen Windkraftprojekte auch überregional für Aufsehen gesorgt. Im Jahr 2023 hatte er rund 8000 Mitglieder
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